Der Höllenbote (German Edition)
wohl zu uns hereinbitten?«
Jane runzelte die Stirn. Sie machte sich keine Sorgen, dass sie sich irrte – denn sie war ganz sicher, dass Carlton auf keinen Fall etwas mit irgendwelchen Sekten zu tun hatte –, aber vermutlich blieb ihr keine andere Wahl. Immerhin war Steve Higgins der Polizeichef. Es ist meine Bürgerpflicht, zu kooperieren – und ihm zu beweisen, dass er sich irrt. »Einen Moment.« Sie nahm den Telefonhörer, wählte Carltons Durchwahl und wartete. Dann versuchte sie es mit einer anderen Durchwahl und wartete wieder. »Hmm. Er geht nicht an den Apparat«, murmelte sie. »Ich probier’s mal im Servicebereich.« Eine weitere Durchwahl. »Doreen, ist Carlton oben bei euch? Ich muss ihn sprechen ... Oh, okay.«
Jane legte auf. »Carlton ist nicht da. Er erledigt gerade eine Zustellung.«
»Sagten Sie nicht, dass er so etwas wie der Personalchef ist? Wollen Sie behaupten, dass er selbst die Post austrägt?«
»In Notfällen muss jeder innerhalb der Hackordnung auf die Straße«, erklärte Jane. »Wenn der Servicebereich vor lauter Kunden aus allen Nähten platzt und alle Lagermitarbeiter hinten beschäftigt sind, kommt so was schon mal vor. Manchmal muss sich sogar ein Filialleiter wie ich die Posttasche umhängen und eine Tour übernehmen. Jeder in der Verwaltung. Oder wir gehen raus und leeren Briefkästen oder holen Sendungen bei Kunden ab. Vor allem in Notfällen wie diesem.«
»Ah, ich verstehe. Solange das Hauptpostamt noch geschlossen ist, muss Ihre Filiale einspringen und die ganze zusätzliche Arbeit erledigen.«
»Genau, Chief. Und jetzt ist Carlton gerade unterwegs. Wir hatten ein verspätetes Expresspaket im Eingang und alle Zusteller waren bereits aufgebrochen. Also hat er es übernommen.«
Steve sah sie mit sehr ernstem Gesicht an. »Ich muss wissen, wo er ist. Und zwar sofort. «
Jetzt gesellte sich Ungeduld zu Janes Verwirrung. Sie tätigte einen weiteren Anruf, notierte sich etwas und legte wieder auf.
»Es ist bereits im Scan-Log. Carlton ist vor einer halben Stunde losgefahren, um das Expresspaket zur Seaton-Mädchenschule zu bringen.«
»Gut. Danke.« Steve stand auf und steckte seine Sachen ein. Er machte einen abwesenden Eindruck.
»Chief Higgins! Was ist hier los?«, platzte Jane heraus. »Ich versichere Ihnen, Sie irren sich mit Carlton ...«
»Das hoffe ich«, sagte er.
»Da ist doch etwas, das Sie mir verschweigen ...«
Steve blickte voller Skepsis auf sie herab. »Ja, Sie haben recht. Es beweist zunächst einmal gar nichts, aber wir müssen es überprüfen. Und es reicht wahrscheinlich für einen Durchsuchungsbefehl.«
Noch ein Schock. »Wovon reden Sie da?«, schrie Jane fast.
»Es war nur eine simple Meldung, Ms. Ryan. In einer ruhigen, unaufgeregten Stadt wie Danelleton passiert nicht viel. Deshalb nehmen wir auch kleinste Meldungen ernst. Meldungen, die in einer Großstadt wie Tampa oder St. Pete ignoriert werden, weil sie unwichtig erscheinen.«
»Was für eine Meldung?«
»Letzte Nacht gegen drei Uhr morgens kam ein Mann in den Qwik-Mart, kaufte einen Becher Kaffee und ging wieder. Der Mann verhielt sich ungewöhnlich, deshalb rief der Kassierer bei uns an, um ihn zu melden. Nur eine routinemäßige Meldung einer verdächtigen Person. Die erhalten wir oft und in 99 Prozent der Fälle steckt nichts dahinter. Nur jemand, der auf einen anderen sauer ist, eine nervöse Überreaktion. Sie verstehen, was ich meine?«
Janes Gesicht erhitzte sich vor Wut. »Nein, Chief Higgins, ich verstehe nicht, was Sie meinen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie reden. Und so langsam machen Sie mich wirklich wahnsinnig, also würden Sie jetzt bitte auf den Punkt kommen?«
»Wenn ich morgens im Revier eintreffe, schaue ich immer als Erstes nach, ob die Nachtschicht irgendwelche Anrufe zu Protokoll gegeben hat«, fuhr er fort. »Heute gab es nur diesen einen. Und dann traf der Notruf von hier ein und ich hatte plötzlich zwei Meldungen auf einmal in der Hand – und da kam mir der Gedanke, dass beide etwas miteinander zu tun haben könnten.«
Jetzt platzte Jane endgültig der Kragen. »Was war das für eine Meldung?«, schäumte sie.
»Überlegen Sie doch mal, Ms. Ryan: Letzte Nacht hat jemand Marlene Troys Leiche ausgegraben und in Ihr Postamt verfrachtet. Und letzte Nacht geht bei uns ein Anruf über eine verdächtige Person im Qwik-Mart ein. Können Sie mir folgen?«
»Nein!«
»Der Kassierer im Qwik-Mart sagte, der Typ sei ›ungewöhnlich‹ gewesen.
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