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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Der Deckel war zu! Jemand muss in mein Zimmer geschlichen sein und ihn mit der Hand zerquetscht haben!«
    »Kevin, deine Fantasie geht mit dir durch«, versuchte Jane ihn zu beruhigen. »Niemand hat sich ins Haus geschlichen. Die Türen waren alle abgeschlossen. Mel hatte ...« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, um ihn zu trösten. »Mel hatte nur einen Unfall oder er war krank – irgendeine ... Krötenkrankheit.«
    »Ja, und dabei hat er seine Innereien ausgekotzt«, fügte Jennifer hinzu.
    »Nein!« Kevin schrie jetzt fast. »Ich weiß, dass jemand das getan hat – und zwar mit Absicht!«
    »Kevin, wer sollte denn so was Krankes tun?«, fragte Jennifer.
    »Ein kranker Mensch, wer sonst? Überall laufen kranke Leute rum. So wie Marlene und Carlton – die waren krank im Kopf und keiner hat es gewusst. So wie der Mann, der Dad getötet hat!«
    Mein Gott, dachte Jane. Das wurde alles zu viel für ihn. Der arme Junge. Der Vater von einem Psychopathen getötet. Zwei Massenmorde in einer Woche. Und jetzt das. Er weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. »Kevin, beruhige dich. Niemand hat das mit Absicht getan. Das ist unmöglich!«
    »Wirklich, Kevin«, sprang Jennifer ihr bei. »Niemand ist in das Haus eingebrochen, nur um Mel umzubringen. Mom hat recht. Er muss irgendeine Krankheit bekommen haben.«
    »Jemand hat ihn umgebracht! «, kreischte der Junge und stürzte hinaus.
    Jane seufzte. So viel zum Thema ›normaler Tag‹.
    Das Frühstück war gelaufen, die Eier wanderten in den Mülleimer. Jane holte einen Spaten aus der Garage und half Kevin, die Kröte im Garten neben den Rosensträuchern zu begraben. Eine kleine Tupperdose diente als Sarg. Als sie fertig waren, steckte Kevin ein kleines selbst gebasteltes Kreuz aus Eisstielen in die Erde. Mittlerweile hatte sich der Kummer des Jungen etwas gelegt, er schluchzte nur noch still vor sich hin.
    Kurz darauf fuhr sie zur Arbeit, wo sie erst wenige Minuten vor Schichtbeginn eintraf. Der Tag war bereits aus dem Takt geraten, dabei hatte er doch gerade erst begonnen. Die verzerrten Bilder ihres Albtraums – die erotischen vermischt mit den widerwärtigen – verfolgten sie in der ersten Stunde ununterbrochen. Wo kommt dieser Traum bloß her?, fragte sie sich immer wieder. Sie hasste es, auf dem falschen Fuß zu beginnen – es würde ihr den Rest des Arbeitstages verderben –, aber was sollte sie machen? Ihre kleine Westfiliale fuhr jetzt doppelte Schichten, bis das Hauptpostamt wieder öffnen konnte. Konzentrier dich auf die Arbeit, Jane, befahl sie sich. Du wolltest doch Filialleiterin werden – jetzt bist du’s. Also vermassle es nicht.
    Ihre Bürotür stand einen Spalt weit offen und sie konnte hören, wie sich ein paar Zusteller vor dem Kaffeeautomaten unterhielten. Aber es waren keine fröhlichen Gespräche. Immer wieder dasselbe. Die Mitarbeiter redeten über die Morde, stellten Spekulationen über Marlene und Carlton an. Wenn in einer Stadt etwas Schlimmes passiert, können die Leute gar nicht aufhören, darüber zu reden. Aber wenn etwas Gutes passiert, ist es schnell vergessen. Eine traurige Wahrheit. Sie wollte gerade anfangen, die heutige Routenplanung durchzugehen, als ein Klopfen sie aus ihrer Grübelei riss.
    »Guten Morgen, Ms. Ryan. Darf ich reinkommen?«
    Steves Gesicht lugte durch den Türspalt. Mein Gott, kann er nicht aufhören, mich Ms. Ryan zu nennen?, dachte sie. Es klang so steif. »Setzen Sie sich!«, forderte sie ihn auf. In seiner Gegenwart fühlte sie sich gleich besser, wie sie verwundert zur Kenntnis nahm.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte er und setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Schreibtisch. Sein blondes Haar sah feucht aus – vielleicht hatte er gerade erst geduscht. Heute trug er keine Jacke und kein Schulterholster, nur eine Hose und ein leichtes kurzärmeliges Hemd, aber als er sich setzte und die Beine übereinanderschlug, konnte sie sein Knöchelhalfter sehen. Er ist ein gut aussehender Mann, keine Frage.
    »Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben. Aber ich bin gerade in der Gegend gewesen und dachte, ich schaue mal vorbei, um zu sehen, wie’s Ihnen geht.«
    Jane entspannte sich. »Es geht mir gut, danke. Und noch einmal vielen Dank für Ihre Hilfe gestern. Möchten Sie Kaffee? Aber ich muss Sie warnen – der Kaffee im Postamt ist wirklich mies.«
    »Das Einzige, was noch mieser ist, ist Bullenkaffee. Aber ich hatte heute schon meinen Frühstückskaffee, danke.«
    Jane war leicht verdattert. Er ist nur

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