Der Höllenbote (German Edition)
Toilette, betrat die hinterste Kabine und setzte sich. Er holte einen Flachmann aus der Tasche und gönnte sich einen Schluck Kessler’s Whiskey. Der ging runter wie Honig. Noch ein paar Schlucke und er würde sich langsam besser fühlen ...
Alles, woran er denken konnte, war Jane Ryan, und diese Gedanken fielen verdammt bösartig aus. Er fühlte sich nicht nur sauer – er war wie aufgeputscht. Er hatte das Gefühl, alles im Griff zu haben. Er konnte nicht genau beschreiben, wie er sich fühlte – es gelang ihm nicht, es zu artikulieren –, aber es kam ihm so vor, als hätte ihn abrupt ein Gefühl der Sicherheit überwältigt. Als schwebe ein Schutzengel über ihm.
Noch ein paar Schlucke Kessler’s und er wusste, dass es nicht nur an Jane Ryan lag. Es lag an so ziemlich jedem. Die Arschlöcher da draußen brauchten Leute wie Martin, um sie fertigzumachen, damit sie sich selbst besser fühlen konnten. Es baute sie auf, wenn sie auf unschuldigen, harmlosen Typen wie Martin herumtrampeln konnten. Ryan war da kein Stück besser. Die lachten sich alle tot über ihn ...
Wartet’s nur ab. Wer zuletzt lacht ...
Er steckte den Flachmann ein, verließ die Toilettenkabine und machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Er fühlte sich großartig. Vor seinem geistigen Auge sah er genau, wie er sich an diesen ganzen verlogenen Arschlöchern rächte, angefangen bei Ryan. Ja, er hatte schon eine Idee, was er mit ihr anstellen würde. Er könnte warten, bis sie etwas später als üblich Feierabend machte, ihr auf dem Parkplatz auflauern, eine Knarre in die Rippen rammen und sie von hier wegschaffen. Dann ein Stück die Küste entlangfahren, sie fesseln und ein paar Stunden lang seinen Spaß mit ihr haben. Zum Schluss konnte er ihren hochnäsigen Arsch dann in eins der Erdlöcher werfen. Und sich hinterher die anderen vornehmen.
Ja, hörte er eine Stimme.
Aber es war nicht seine Stimme.
Es war die Stimme eines anderen.
Und es würde nicht mehr lange dauern, bis er diesen anderen besser kennengelernt hatte und alles verstand.
(II)
Der Horizont verfärbte sich langsam rosa. Ein Sonnenuntergang war in Florida immer ein spektakuläres Ereignis, ganz besonders in einer so malerischen Stadt wie Danelleton. Ein allmählich dunkler werdendes Orange leuchtete durch die Blätter der zahlreichen Palmen. Über die Landschaft wehte eine vertraute warme Brise hinweg; die Nacht befand sich im Anmarsch.
Die Häuser waren unterschiedlich, aber alle hübsch: frisch angestrichen, gut in Schuss, ein Vorstadt-Utopia. Die Sonne sank auch über einem ganz bestimmten Haus tiefer – über Annabelles Haus, einem Farmhaus im Hazienda-Stil mit roten Dachziegeln und einem Bogen über dem Eingang. Ein Lieferwagen hielt in der Einfahrt, auf seinen Seiten stand: STRAUSS HEIZUNG UND KLIMA – SERVICE RUND UM DIE UHR. Der groß gewachsene Monteur mit dem welligen Haar und dem Kinnbart stieg aus, in der Hand seine Werkzeugkiste und ein Klemmbrett. Erik hatte sich über den späten Anruf gefreut. Er arbeitete vor allem tagsüber, meistens in Geschäften oder Büros in St. Pete, und jetzt im Sommer war es dort heißer als in der Hölle. Aber diese späten Aufträge in Privathäusern waren in der Regel weitaus einfacher zu erledigen, und obendrein bekam er oft ein Trinkgeld.
Und manchmal hatte Erik sogar Glück. Hier in Florida mit all den Frauen ... Es gab kaum etwas Besseres als einen Privatauftrag von einer Hausfrau, deren Mann geschäftlich unterwegs war. Und wenn dann so ein gut aussehender Kerl wie Erik auftauchte ... nicht selten kassierte er noch ein zweites Trinkgeld.
Hoffen wir das Beste, überlegte er, als er die Einfahrt hinaufging.
Doch die Hoffnung zerplatzte schnell. So viel dazu ... Ein weiterer Lieferwagen parkte vor dem Haus, von einem anderen Handwerker: PARAVISION-FERNSEHDIENST. Und dann – was zum Henker? – ein dritter Lieferwagen von WALTON-MÖBELREPARATUREN.
»Na großartig«, murmelte Erik. » Noch zwei Monteure. Also kein Schäferstündchen heute.« Aber das ging schon in Ordnung. Erik betrachtete diese himmlischen Geschenke nicht als selbstverständlich.
Während er zur Haustür ging, dachte er lächelnd über die Chancen nach. Wahrscheinlich wohnt hier sowieso nur ein älteres Ehepaar Mitte 60, die Hütte voller Enkelkinder. Hm, vielleicht bekomme ich wenigstens ein gutes Trinkgeld.
Bevor er klopfte, fiel ihm etwas ins Auge: der seltsame Türklopfer in der Mitte der Tür. Abgedreht, fand er. Er war oval, aus
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