Der Höllenbote
in dieser Berg-und Talwelt meilenweit zu hören gewesen und hätte vielleicht anderen Wesen etwas von meiner Anwesenheit verraten, die mich bisher noch nicht entdeckt hatten. So wollte ich mich lautlos wehren, falls es zu einem Kampf kam. Im Augenblick allerdings bestand keine Gefahr. Ich warf einen Blick in die Hütte und sah, daß der Veränderte dabei war, sich aufzurichten. Er drehte mir den Rücken zu. Vom Schädel sah ich nur die Hinterpartie, die glatte gelbe Fläche und vernahm die seltsam keuchenden oder grunzenden Laute, die der andere ausstieß.
Ein Schritt brachte mich über die Schwelle. Ein neuer Windstoß fuhr in das Tal, brachte frischen Sand mit und wühlte alten auf. Auch durch die Tür drang der feine Schleier und quoll in die Baracke. Ich ließ dem Wesen Zeit. Erst als es stand, machte ich mich durch einen Zischlaut bemerkbar. Hinter mir fiel die Tür zu, weil der Wind sie nach innen bewegt hatte.
Der andere hatte mich gehört.
Langsam drehte er sich um.
Zwar hatte ich ihn schon einmal gesehen, dennoch wurde ich von dem Anblick getroffen, denn er bewegte jetzt seinen Mund. Aus diesem klaffenden Spalt drangen die unartikulierten Laute, und es sah wirklich schaurig aus.
Ich schüttelte mich.
Das Wesen glitt zurück. Wahrscheinlich hatte es mit mir nicht gerechnet. Ob es mich als Feind ansah, wußte ich nicht, auf jeden Fall wich es so weit nach hinten, bis es gegen einen Tisch stieß und stehenblieb. Ich folgte ihm. Die Spitze des Silberdolchs zeigte auf seine Körpermitte, und ich fragte: »Wer bist du?«
Ich bekam eine Antwort, konnte sie allerdings nicht verstehen, nur ein undefinierbares Grunzen drang aus dem Maul.
»Kannst du nicht reden?«
Das Wesen streckte seine Arme aus und spreizte die Hände. Gelbe Finger sah ich, ebenfalls von der dünnen Haut überzogen, wie sie auch der Höllenbote besaß. »Gibt es noch andere?«
Das Wesen antwortete auf seine Weise. Es stieß sich vom Tisch ab, so daß er ins Wanken geriet. Dann bewegte es sich in meine Richtung und wollte mich packen, doch dagegen hatte ich einiges. Mein rechter Arm wischte vor. Die Klinge zielte auf die Hand des Monstrums.
Und sie traf.
Ich hatte ihn nur verletzen wollen, es war ein Test gewesen, um zu sehen, inwieweit meine magischen Waffen überhaupt wirkten. Da tat sich nichts.
Diesen Schock mußte ich erst einmal verkraften. Der Dolch oder vielmehr die Spitze rutschte vom Handteller ab, so daß ich das Gefühl hatte, mit dem Dolch gegen ein starkes Gummi gestoßen zu haben. Mein Arm federte regelrecht zurück, und ich bekam die neue Erkenntnis, daß ich meinen Gegner mit dieser Waffe nicht besiegen konnte. Die Haut schützte ihn.
Der Dolch war stark, ebenso wie die Silberkugel oder fast sogar noch stärker. Wenn er es nicht schaffte, die dünne Haut zu zerstören, wer sollte es dann schaffen?
Das Kreuz!
Ich fingerte es unter meinem Hemd hervor. Geheimnisvoll waren seine Zeichen. Noch immer war es mir nicht gelungen, ihr Rätsel zu lüften. Das mußte irgendwann geschehen, damit ich es effektiver einsetzen konnte, wobei ich hoffte, daß ich mit dem Seher wieder in Berührung kam, der sicherlich mehr über das Kreuz und seine Geheimnisse wußte. Zur Zeit mußte ich mich einfach darauf verlassen, daß es reagierte, wenn Mächte des Bösen in der Nähe waren.
So nahe wie möglich ging ich auf das Monstrum mit dem gelben Schädel zu.
Konnte ich etwas erreichen?
Bevor das Wesen mich packte, schnellte mein Arm vor, und ich drückte das Kreuz gegen den Kopf.
Ein Zittern lief durch die Gestalt. Für zwei Sekunden stand ich unbeweglich auf der Stelle und wartete darauf, daß mein Gegner zusammenbrach und sich auflöste.
Das geschah nicht. Er blieb auf den Beinen, und aus seinem Maul drang ein heiseres Knurren. Eine Hand schnappte nach meiner Schulter. Die Finger legten sich darauf. Ich rechnete damit, daß sie zudrücken würden, aber ich irrte mich. Die Hand besaß keine Kraft mehr. Sie glitt von meiner Schulter, den Arm entlang, und als sie nach unten fiel, brach auch das Monstrum zusammen.
Erledigt!
Ich atmete auf und bekam gleich darauf einen Schreck. Der Skelettschädel-Mensch war nicht zerstört worden. Das Kreuz und seine magische Kraft hatten ihn nur schwächen können. Er lag auf dem Boden, schüttelte sich und wollte wieder hochkommen, doch die Kraft war nicht mehr vorhanden. Er stützte sich zwar ab, winkelte auch die gelblich schimmernden Arme an, brach aber dann zusammen und blieb flach auf dem Bauch
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