Der Höllenbote
schimmernden Skelettschädel!
***
Ein Ebenbild des Höllenboten.
Es gab keine andere Formulierung, und der Tote war auch kein Einheimischer, sondern ein Europäer. Er trug die europäische Kleidung, eine Hose mit Bügelfalten, ein gestreiftes Hemd, sogar eine Krawatte, und dann dieser häßliche Schädel. Gelb wie eine Laterne und mit einer Haut überzogen, die dünn und durchsichtig war, so daß ich die Knochen erkennen konnte.
Als ich mich einigermaßen gefaßt hatte, ging ich auf das Wesen oder den Toten zu, kniete mich und befühlte seinen Körper. Meine Finger tasteten über die Haut.
Überrascht hob ich die Augenbrauen. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, die kalte Haut eines Toten zu berühren, da irrte ich mich. Die Haut des Menschen war nicht kalt, sondern warm, wie bei einem lebenden Menschen.
Das irritierte mich, und ich erhob mich wieder. Wieso hatte sich der Tote nicht abgekühlt? Eigentlich gab es dafür nur eine Erklärung. Er mußte ein Dämon sein und unter Umständen noch leben, was mir wiederum überhaupt nicht gefiel.
Aber wie kam er hier in dieses Land? Diese Frage stellte sich mir, und ich suchte nach einer Antwort. Er war ein Diener oder ein Opfer des Höllenboten. Unter Umständen hatte er als normaler, lebender Mensch sogar beim Bau dieser Anlage geholfen und sich an der Sprengung aktiv beteiligt.
Ja, das konnte es sein. Bestimmt gehörte er zu einer der Firmen, die sich die Rechte erworben hatten, in diesem Teil Chinas nach Bodenschätzen zu suchen.
Und dabei war er dem Höllenboten in die Quere gekommen, den eine gewisse Linda Brackett so echt und plastisch auf die Leinwand gebracht hatte.
Yuisan hatte sich schrecklich gerächt! Ich brauchte mir nur den Toten anzuschauen.
Der Schädel machte auf mich einen abstoßenden Eindruck. Die dünne Haut besaß einen irgendwie fahlen Glanz, und sie zog sich um die Mundhöhle, die Nasenlöcher als auch die Augen herum. Über der Stirn wurde der Schädel breiter, seine Platte bestand aus glatten Knochen. Ich schob die Ärmel der Jacke, die er trug, zurück und schaute mir seine Hände und die Arme an.
Auch diese Haut schimmerte gelblich. Allerdings ein wenig dunkler als der Schädel, und sie kam mir irgendwie schmutzig vor. Ich rollte den Ärmel wieder zurück.
Wie mochte der Mann in diese Baracke gekommen sein? Wie lange lag er hier? Einen Monat, noch länger ich wußte es nicht, drehte mich um und verließ die Unterkunft.
Die Sonne stand noch immer am Himmel wie festgeklebt. Blaß sah sie aus. Blaß und bleich, weil der Wind wieder lange Staubwolken in die Höhe trieb, die sich als wirbelnde Gebilde vor die Sonnenscheibe legten. Die stechenden Strahlen trafen meinen ungeschützten Kopf und den Nacken. Ich mochte diese Hitze nicht und vor allen Dingen nicht den gelbbraunen Staub, der sich in jede Pore setzte.
Ich beschattete die Augen mit der Hand, indem ich sie an die Stirn legte. So wurde ich von der Sonne nicht geblendet, wenn ich zu den Hügeln hochschaute, wo ich nach Leben suchte.
Aber hier lebte nichts. Es war alles tot, und es war fraglich, ob ich auch Wasser fand. Zwar gab es hier einen Brunnen, doch der war sicherlich ausgetrocknet und vom Sand zugeschüttet worden.
In den Bergen regte sich nichts. Die durch die Sprengung zum Teil zerstörte und umgeformte Bergwelt hatte seltsame Formen gebildet. Da gab es glatte Felswände, wo es sonst Hänge gegeben hatte. Es waren Täler entstanden und neue Gipfel. Riesige Steinfelder hatten sich talwärts gewälzt und waren irgendwann einmal zur Ruhe gekommen, wo sie nun gewaltige Geröllhalden bildeten.
Ich wandte mich wieder ab und befand mich noch in der Bewegung, als ich das Geräusch hörte.
Sofort konzentrierte ich mich. Das Geräusch war hinter mir aufgeklungen, im Haus also, und dort befand sich nur der Mensch mit dem gelben Skelettschädel.
Die Tür hatte ich nicht völlig geschlossen. Sie stand noch spaltbreit offen, aus diesem Grunde hatte ich das Geräusch auch hören können. Ich machte nicht den Fehler und riß die Tür mit einem wilden Ruck auf, sondern umklammerte mit einer Hand die Kante und zog sie langsam zu mir heran. Sand hatte sich in die Angeln gesetzt. Das häßliche Knarren und Ächzen streifte mir eine Gänsehaut über den Rücken, und ich verzog das Gesicht, als hätte ich Essig getrunken. Wenn der Skelettschädel jetzt im toten Winkel lauerte, mußte ich mich vorsehen. In meiner anderen Hand lag der Dolch. Ich wollte nicht schießen, denn ein Schuß wäre
Weitere Kostenlose Bücher