Der Höllenbote
Da sahen oft ganze Felswände so aus, als hätte sie jemand zerschnitten. Andere hatten dem Druck nicht standhalten können und waren gekippt. Tonnen von Gestein hatte man in die Luft geblasen, die irgendwo anders wieder zu Boden fielen und dort völlig neue, apokalyptische Landschaften schufen. Wie auch hier.
Und davor stand die Budenstadt. Aber nicht nur Baracken entdeckte ich, auch technisches Gerät. Ein Bohrturm, klein in seinen Ausmaßen, eben so, wie man ihn zu Probebohrungen benutzt. Zwei Lastwagen standen dort auf ihren rostigen Felgen, und über allem lag ein braungelber Staub, der vom Wind wie eine nie abreißende Fahne bewegt wurde, so daß er manchmal die Sonne verdunkelte.
Hier hatte die Hand des Menschen in die Natur eingegriffen, und ich stellte mir die Frage, ob das wirklich nötig gewesen war. Es war nicht mein Problem, damit fertig zu werden, ich mußte erst einmal zusehen, wo ich mich überhaupt befand.
Eins war sicher. Durch schwarze Magie hatte ich eine Entfernung überbrückt, für die ein Reisender sicherlich Tage benötigte. Ich hatte sie in einem Atemzug geschafft und war in ein Land gekommen, aus dem der Höllenbote stammen mußte.
China!
Ja, es konnte nicht anders sein. Ich erinnerte mich wieder an Bilder und Fernsehberichte, die sich mit dem Reich der Mitte beschäftigten. Ich manchen Gegenden hatte es so ausgesehen wie hier. Graugelber Staub, gewaltige Ebenen, Land, das terrassenförmig anstieg, so wie ich es hinter mir sah und hohe, zerklüftete Gebirgszüge, wie sie vor mir lagen.
Ich befand mich in Yuisans Heimat.
Und ich war allein.
Eine schlimme Vorstellung. Fast wünschte ich mir, den Höllenboten in der Nähe zu haben, so aber war ich auf mich allein gestellt, was man nicht gerade als einen Vorteil bezeichnen konnte. Angst verspürte ich nicht, denn ich sah es schon als einen Vorteil an, nicht in einer anderen Dimension oder in einem anderen Schreckensreich verschollen zu sein.
Ich befand mich auf der Erde!
Die Baubuden interessierten mich. Das Erbe einer Zivilisation, das allmählich verrottete.
Einen letzten Blick warf ich zurück auf der Suche nach einer Ansiedlung, einem Dorf oder einer Stadt, doch das Land war nur öde, kahl und wirkte deprimierend. Hinzu kam der Staub, der alles wie ein gewaltiges Leichentuch zudeckte.
Auch meine Füße wühlten ihn auf. Tückisch bedeckte er Spalten und Vertiefungen im Gelände. Manchmal auch hochkant stehende Steine, über die ich stolperte. Zudem führte mich mein Weg bergab, und ich mußte achtgeben, daß ich nicht rutschte.
Vor den Baubuden wurde es besser. Erst jetzt sah ich, daß die meisten keine Scheiben mehr besaßen. Nur noch Löcher glotzen mich an. Durch sie pfiff der Wind ungehindert. Einen Brunnen sah ich auch. Man hatte das Loch mit Holzlatten abgesichert. Auch an ihnen waren Wind und Wetter nicht spurlos vorübergegangen. Schief und krumm standen die Latten in der lockeren Erde.
Gegen die Wände der Bauten hatte der Wind den Sand geworfen. Eine kniehohe Schicht bedeckte sie wie Kleister.
Ich schüttelte mich. Diese Öde und Leere machte mich noch verrückt. Ich wurde an die alten Goldgräberstädte des Westens erinnert, nur gab es hier keine verlassenen Saloons oder Stores.
Sogar eine Müllhalde bekam ich zu sehen, als ich an der Rückseite eines Hauses nach links schielte.
Coladosen, Trockengemüse, Fleischkonserven, Flaschen. Dazwischen Papier und Tuchfetzen. Die Mulde lag ziemlich windgeschützt, so daß das Zeug nicht durch die Gegend flog.
Ich umrundete das Haus und blieb vor der Frontseite stehen. Wenn ich nach links und rechts schaute, erkannte ich so etwas wie eine Straße, denn die Baracken waren so ziemlich in einer Linie gebaut worden. Steinhart und trocken präsentierte sich der Boden, und von den Hängen jenseits der Buden hier hörte ich das Rollen kleiner Steine. Mich interessierte die Behausung vor mir. Ich wollte mir das Innere anschauen, ging auf die Tür zu und zog sie auf. Sie war seltsamerweise noch in Ordnung, es fehlte nur, daß mich jemand lächelnd begrüßt hätte. Begrüßt wurde ich. Von einem Toten.
Stocksteif blieb ich stehen und starrte auf die Leiche, die auf dem Rücken lag.
Durch die zerstörten Fenster fiel so viel helles Licht, daß ich den Kopf sehr genau erkennen konnte.
Es war kein normaler menschlicher Schädel. Was da auf dem Hals saß, erinnerte mich fatal an das Monstrum, dem ich diese unfreiwillige Reise zu verdanken hatte.
Die Leiche trug einen gelblich
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