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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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muss dir noch was erzählen.»
    Arnaud winkt nachlässig mit der Gabel und schaut nicht vom Teller auf. «Erzähl.»
    Ich starre sie an, weil ich einfach nicht glauben kann, dass sie das gerade tut. Aber natürlich macht sie es.
    «Ich habe heute Nachmittag Georges im Wald gesehen. Hat er das nicht erwähnt?»
    «Nein. Warum sollte er?»
    Sie sieht mich an. Ihr engelhaftes Gesicht verzieht sich zu einem rachsüchtigen Lächeln. «Das kann Sean dir erzählen.»
    Arnaud senkt Messer und Gabel. Misstrauen ersetzt nun wieder seine Nachsicht. «Er kann mir
was
erzählen?»
    «Gretchen, warum gehst du …», versucht Mathilde zu intervenieren, aber ihr Vater lässt nicht locker.
    «Er kann mir
was
erzählen?»
    Alle starren mich an. Die drei Gesichter zeigen ganz unterschiedliche Gefühlsregungen. Arnauds wachsende Wut, Mathildes Ängstlichkeit und Gretchens Unsicherheit, als bereute sie nachträglich, überhaupt damit angefangen zu haben. Merkwürdigerweise bleibe ich ganz ruhig. Als hätte ich versucht, den richtigen Weg zu diesem Moment zu finden, und wäre bisher immer gescheitert.
    «Ich verlasse euch.»
    Meine Ankündigung wird mit Schweigen quittiert. Mathilde ist am meisten entsetzt, aber schließlich ergreift Arnaud als Erster das Wort.
    «Was meinen Sie mit
verlassen

    «Genau das. Es gibt etwas, das ich erledigen muss.» Nachdem ich es ausgesprochen habe, sind alle Unsicherheit und Unentschlossenheit von mir gewichen. Ich habe das Gefühl, ein großes Gewicht sei von mir genommen worden.
    Arnauds Gesicht hat sich verfinstert. «Die ganze Zeit waren Sie hier und haben nie irgendwas Dringendes erwähnt. Was ist das, das Sie sofort erledigen müssen?»
    «Es ist eine persönliche Angelegenheit. Ich hätte mich schon früher darum kümmern müssen, aber jetzt kann ich es leider nicht länger aufschieben.»
    «Was ist mit Ihren Verpflichtungen hier? Es ist also in Ordnung, die einfach zu vergessen?»
    «Die Wand ist in einem besseren Zustand als vorher. Aber ich kann auch noch ein paar Tage bleiben, zumindest bis …»
    «Ach, warum denn?», bellt Arnaud. «Wenn Sie uns verlassen wollen, brauchen Sie nicht eine Nacht mehr unter meinem Dach verbringen. Los, Judas! Pack deine Sachen und verschwinde!»
    «Nein!» Dieser Ausruf kommt von Gretchen. Sie sieht wütend aus und traurig. «Nein, Sie können nicht gehen!»
    Ihr Vater wischt ihren Einwand beiseite. «Doch, das kann er. Den wären wir auch los! Wir brauchen ihn nämlich nicht!»
    Mathilde hat bis jetzt geschwiegen. Sie wirkt ehrlich erschüttert. «Warte, können wir nicht …»
    «Nein, lass ihn gehen!», grollt Arnaud. «Hast du mich nicht gehört, du undankbarer Scheißkerl? Ich sagte, du sollst verschwinden!»
    Ich schiebe meinen Stuhl zurück und gehe zur Tür. Mathilde versucht, mich aufzuhalten. «Lass uns wenigstens bis morgen warten und dann in Ruhe darüber reden. Bitte!»
    Ich bin nicht sicher, ob sich Mathildes Flehen an mich oder ihren Vater richtet. Arnaud funkelt sie wütend an. Seine Kiefer mahlen.
    «Bitte!», wiederholt sie. Dieses Mal besteht kein Zweifel, an wen sie ihre Worte richtet.
    Arnaud macht eine wegwerfende Handbewegung, die fließend in den Griff nach der Weinflasche mündet. «Lass ihn machen, was er will. Ich mache mir an dem nicht die Hände schmutzig. Ob er bleibt oder geht, macht für mich keinen Unterschied.»
    Er kippt Wein in sein Glas. Mathilde packt meinen Arm und drängt mich in den Hof. Ehe sie die Tür hinter uns schließt, sehe ich Gretchens Blick. Ihre Miene ist verkniffen und angespannt.
    Draußen hat der Regen nachgelassen, und es nieselt nur noch. Es ist kühl und feucht genug, dass ich schaudere. Mathilde führt mich über das nasse Kopfsteinpflaster, bis wir außer Hörweite der Küche sind.
    «Es tut mir leid», sage ich.
    Sie schüttelt den Kopf. Ihre Haare werden von dem Nieselregen mit feinen Tropfen besetzt. «Du musst nicht fortgehen.»
    «Doch, das muss ich.»
    «Mein Vater ist nur wütend. Er meint nicht, was er gesagt hat.»
    Ich würde sie gerne bitten, mir das zu erklären. Aber im Grunde ist es egal. «Es ist nicht seinetwegen. Ich bin ohnehin schon viel zu lange hiergeblieben.»
    Sie schaut zurück zum Haus. Selbst jetzt kann ich nicht genau sagen, was sie denkt. «Und du wirst deine Meinung nicht ändern?»
    «Das kann ich nicht. Tut mir leid.»
    Sie akzeptiert es mit einem Seufzen. «Wohin wirst du gehen? Nach England?»
    Ich nicke nur. Jetzt erst erkenne ich, was das tatsächlich bedeutet.

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