Der Hof (German Edition)
beobachtet. «Möchtest du etwas sagen?»
«Nein.»
«Bist du sicher?»
«Ja.»
Er starrt sie weiter an und sucht förmlich nach etwas, das er kritisieren könnte. Weil er nichts findet, nimmt er Messer und Gabel wieder auf und isst weiter. Das Schwein muss man kaum kauen. Es fällt förmlich auseinander, und die Soße ist mit Knoblauch und Kapern pikant gewürzt.
«Nicht genug Würze», knurrt Arnaud.
Auf den Kommentar reagiert keiner von uns.
«Ich sagte, es ist nicht genug Würze dran.»
Wortlos schiebt Mathilde ihm das Salz und den Pfeffer rüber. Großzügig mahlt er Pfeffer über sein Essen und bestreut es anschließend mit reichlich Salz.
«Ich habe dir schon oft genug gesagt, du sollst mehr Gewürze nehmen, wenn du kochst. Es tötet den Geschmack, wenn man nachwürzen muss.»
«Und wieso machen Sie es dann?», frage ich, ehe ich mich bremsen kann.
Arnaud wirft mir einen giftigen Blick zu. «Weil es dann wenigstens nach irgendwas schmeckt.»
«Mir schmeckt es gut.» An Mathilde gewandt, erkläre ich: «Es ist köstlich.»
Sie wirft mir ein nervöses Lächeln zu. Ihr Vater starrt mich über den Tisch hinweg an und kaut bedächtig. Er schluckt und lässt sich Zeit mit seiner Antwort. «Und Sie wissen, was gut schmeckt, ja?»
«Ich weiß jedenfalls, was
mir
schmeckt.»
«Ist das so? Ich habe ja gar nicht gewusst, dass Sie so ein Gourmet sind. Die ganze Zeit habe ich gedacht, Sie wären einfach nur ein hoffnungsloser Anhalter, dem ich in meiner Scheune Unterschlupf gewährt habe.» Arnaud hebt das Glas und prostet mir ironisch zu. «Da fühle ich mich aber geehrt, dass Sie mir Ihre Meinung eintrichtern.»
In der plötzlichen Stille ist der Regen noch lauter. Gretchen beobachtet uns mit weit aufgerissenen Augen. Mathilde will aufstehen. «Es ist noch Soße in der Pfanne …»
«Setz dich hin.»
«Es ist kein Problem, ich kann …»
«Ich sagte, setz dich hin!»
Die Teller hüpfen, als Arnaud mit der Faust auf den Tisch haut. Noch ehe das Klirren verstummt, ist Michels Weinen von oben zu hören. Aber keiner am Tisch rührt sich.
«Warum lassen Sie sie nicht in Ruhe?», höre ich mich sagen.
Arnaud wendet sich langsam an mich und starrt mich an. Schon jetzt ist sein Gesicht vom Wein gerötet, aber es wird noch dunkler. «Was?»
Ich habe das Gefühl, einen Hügel hinabzulaufen und genau zu wissen, dass ich hinfallen werde. Trotzdem spreche ich hastig weiter. «Ich fragte, warum Sie sie nicht in Ruhe lassen.»
«Lass …», setzt Mathilde an, doch mit erhobener Hand bringt Arnaud sie zum Schweigen.
«Hast du das gehört, Mathilde? Du hast einen tapferen Recken!» Er lässt mich nicht aus den Augen. Seine Stimme ist gefährlich leise. «Sie sitzen hier, essen mein Essen und trinken meinen Wein und wagen es, mich in meinem
eigenen
Haus in Frage zu stellen?»
Mathilde erbleicht, und Gretchens hübsches Gesicht hat sich hässlich verzerrt. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich das vielleicht als Warnung verstanden, doch jetzt konzentriere ich mich dafür zu sehr auf Arnaud. Seine Miene ist mörderisch, und eine Ader pocht rasend schnell an seiner Schläfe. Ich bin gerade sehr froh, dass er sein Gewehr nicht zur Hand hat.
Und dann ist plötzlich alles anders. Ein kaltes Glitzern tritt in seine Augen. Er zuckt mit den Schultern und bringt irgendwie sogar ein gequältes Lächeln zustande. «Ach, zum Teufel damit. Ich will mich nicht wegen einem Teller Essen streiten. Ein Mann sollte seine eigene Meinung haben dürfen.»
Einen Moment bin ich völlig perplex. Dann verstehe ich. Er glaubt, es ginge hier um das Gespräch, das wir im Wald geführt haben – um seinen Vorschlag, ich sollte ihm Mathilde abnehmen. Die aufgestaute Anspannung des Tages lässt abrupt nach.
Arnaud widmet sich wieder mit großem Appetit seinem Essen. «Sie mögen also Mathildes Kochkünste, was? Schön für Sie. Vielleicht war ich ja etwas voreilig. Sie wissen schon, was man sagt: Eine Frau, die weiß, wie man für einen Mann kocht, weiß auch, wie sie ihn in anderer Hinsicht glücklich machen kann.»
Himmel
… Ich suche Mathildes Blick. Hoffentlich glaubt sie nicht, ich könnte mit ihrem Vater unter einer Decke stecken. Sie hält den Blick abgewendet. Von ihrer Schwester kann ich das nicht behaupten. Gretchen starrt mich mit einer so unverhohlenen Wut an, dass sich die Haut über ihren Wangenknochen anspannt. Die Wucht ihres Zorns ist für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Dann wendet sie sich an ihren Vater.
«Papa, ich
Weitere Kostenlose Bücher