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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mit gesenktem Kopf voran und bin so auf das fixiert, was ich tue, dass ich die blasse Gestalt erst bemerke, als sie direkt vor mir steht.
    «Himmel!»
    Ich stolpere rückwärts. Jetzt sehe ich noch mehr von ihnen. Regungslose Körper, die zwischen den Bäumen aufblitzen. Mein Herz hämmert, aber keiner von ihnen rührt sich. Als der erste Schock nachlässt, erkenne ich auch, warum.
    Im Wald stehen Statuen.
    Sie sind zu beiden Seiten des Waldwegs versammelt. Steinerne Männer und Frauen, vom Mondlicht besprenkelt.
Himmel.
Erleichtert sacke ich zusammen, aber ich muss zumindest eine von ihnen berühren, um mich davon zu überzeugen, dass die lebensechten Gliedmaßen wirklich nicht aus Fleisch und Blut sind. Meine Finger spüren nur die Rauheit von Flechten und glatten, harten Stein.
    Ich lächle verschämt. In diesem Moment wird die Stille des Walds von einem Kreischen durchschnitten. Ein schriller, unmenschlicher Laut, der unendlich zu dauern scheint, ehe er schließlich verstummt. Ich starre in die Schwärze und packe die leichte Krücke. Nur ein Fuchs oder eine Eule, rede ich mir ein. Aber zugleich spüre ich die Härchen in meinem Nacken, die sich aufgerichtet haben. Ich drehe mich um und blicke die Statuen an. Sie haben sich nicht bewegt, aber jetzt zerren ihre blinden Blicke an meinen Nerven. Dann erklingt ein zweites Kreischen, und meine Nerven versagen.
    Jeder Gedanke an den See ist vergessen. Humpelnd haste ich den dunklen Weg zurück. Mein Atem kratzt laut, das Blut rauscht mir in den Ohren, und ich kämpfe mich mit der Krücke ab. Vor mir kann ich durch die Bäume die mondbeschienenen Felder erkennen, die unwahrscheinlich weit entfernt sind. Himmel, bin ich wirklich so weit gelaufen? Dann erreiche ich endlich die offene Fläche, und die ordentlichen Reihen der Rebstöcke ersetzen die schwarzen Bäume. Ich hetze weiter, ringe nach Luft und erreiche endlich meine Zuflucht in der Scheune. Ich japse und schnaufe und bleibe nur stehen, um die Lampe zu entzünden und zurück zum Wald zu schauen. Der Feldweg ist verlassen, aber ich kann mich nicht entspannen, ehe ich nicht zurück auf meinem Dachboden bin und die Falltür hinter mir geschlossen ist.
    Auf der Matratze breche ich zusammen. Meine Brust hebt und senkt sich, und die Beine fühlen sich wie Gelee an. Ich bin völlig verschwitzt und so nass, als wäre ich tatsächlich im See gewesen. Der Gedanke, dorthin zu laufen, kommt mir jetzt geradezu irre vor. Als könnte ich mit meinem verbundenen Fuß schwimmen! Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.
    Ach ja? Weißt du das wirklich nicht?
    Jetzt will ich vor allem schlafen. Aber erst rapple ich mich noch einmal auf, humple zurück zu der Falltür und zerre eine Kommode darüber.
    Danach fühle ich mich wenigstens sicher. Ich gehe ins Bett und schlafe wie ein Toter.

LONDON
    Callum ereiferte sich immer noch, als ich vom Tresen zurückkam.
    «Ach, komm schon! Haben wir überhaupt denselben Film geguckt? Sag schon, hast du denselben Film gesehen? Bei mir war es
Das letzte Kommando
. Und bei dir?»
    «Ich sage doch nur, dass in dem Film stereotype Charaktere gezeichnet werden. Da wäre einmal der verhärtete Angeber, der Anfänger, die Spielfigur …»
    «Das sind Archetypen, keine Stereotypen. Ich kann nicht glauben, dass dir entgangen ist, wie …»
    «Mir ist gar nichts entgangen. Ich finde einfach, es ist … tja, keine Ahnung …»
    «Genau!»
    «Callum, wieso hältst du nicht den Mund und lässt Jez ausreden?», mischt sich Yasmin ein.
    «Das würde ich, wenn er nicht nur Scheiße labern würde.»
    Ich stelle die Getränke auf den Tisch. Bier für Callum, Yasmin und mich, Orangensaft für Chloe, Wodka für Jez. Chloe schenkt mir ein Lächeln und verdreht die Augen, als ich mich wieder zu ihnen setze.
    Yasmin wendet sich an mich. «Sean, sag Callum bitte, dass es möglich ist, Aspekte eines Films mit Jack Nicholson vorurteilsfrei zu diskutieren, ohne gleich wegen Häresie verbrannt zu werden.»
    «Sean ist meiner Meinung», wirft Callum ein. «Nicholson ist der beste Schauspieler seiner Generation, ohne jede Einschränkung.»
    «Ein ehemaliger Aushilfsschauspieler, der Glück gehabt hat», sagt Chloe. Sie wirft mir einen raschen Blick zu, um mir zu bedeuten, dass sie Callum absichtlich aufzieht. Und wie jedes Mal beißt er an.
    «Quatsch! Da muss ich doch nur einen Titel nennen, und du bist widerlegt, Chloe.
Einer flog übers Kuckucksnest
. Mehr nicht.» Er lehnt sich zurück und verschränkt die

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