Der Hof (German Edition)
was ich wissen sollte?»
In der Dunkelheit kann ich ihr Gesicht nicht sehen. Aber ein Funkeln verrät mir, dass sie die Augen offen hat.
«Natürlich nicht», sagt sie. «Was soll denn da sein?»
KAPITEL 5
Ich habe gepackt und bin bereit zum Aufbruch, als Mathilde am nächsten Morgen auf den Dachboden kommt. Ich weiß, dass sie es ist, denn ich kann inzwischen ihre gleichmäßigen Schritte und das Schlappen von Gretchens Flipflops unterscheiden. Ihr Blick huscht zu dem verschnürten Rucksack neben dem Bett, aber wenn sie irgendwelche Schlüsse daraus zieht, behält sie diese vorerst für sich. Sie trägt ein Tablett mit einem Teller und frischem Verbandszeug. Und an diesem Morgen gibt es noch eine besondere Köstlichkeit: eine dampfende Schale mit Kaffee.
«Ich habe dir Frühstück gebracht», sagt sie und stellt das Tablett ab. «Kann ich den Verband wechseln?»
Ich setze mich auf die Matratze und rolle das Hosenbein meiner Jeans hoch. Der Verband ist von meinem gescheiterten nächtlichen Ausflug ausgefranst und verdreckt. Wenn der Verband nicht wäre, könnte ich fast glauben, das alles nur geträumt zu haben. Bei Tageslicht wirkt die Erinnerung an die stumme Versammlung der Statuen ziemlich unwirklich, und ich habe mich inzwischen erfolgreich davon überzeugt, dass der Schrei, den ich gehört habe, nur von einem Fuchs gekommen ist. Vermutlich ist er in eine von Arnauds Fallen gegangen.
Ich kann ihm nachfühlen, dass er so schreit.
«Kannst du mich später zur Straße fahren?», frage ich, während Mathilde beginnt, den Verband abzuwickeln. Sie kommentiert die Schmutzränder nicht.
«Du willst schon weg?»
«Direkt nach dem Frühstück. Ich würde lieber früh aufbrechen.»
Die Entscheidung war gefallen, als ich an diesem Morgen aufwachte. Wenn ich es zum Wald und zurück schaffe, bin ich auch schon wieder so fit, um zu reisen. Ich könnte selbst zur Straße laufen, aber es gibt keinen Grund, mich schon vor der Reise zu verausgaben. Ich weiß immer noch nicht, was ich tun soll oder wohin ich gehen werde. Aber mein letzter Zusammenstoß mit Arnaud hat mich überzeugt, dass ich lieber mein Glück da draußen versuche, statt noch einen Tag länger hierzubleiben.
Mathilde wickelt weiter die Bandage ab. «Bist du sicher?»
«Wenn du mich bis zur nächsten Hauptstraße fährst, kann ich ab da per Anhalter weiter.»
«Wie du willst.»
Obwohl ich keinen Grund dafür habe, bin ich von ihrer schwachen Reaktion enttäuscht. Ich sehe zu, während sie den Verband abwickelt und die Mullauflagen löst. Als die letzte Schicht abgeht, bin ich erleichtert, weil mein Fuß nicht schlimmer aussieht als zuletzt. Tatsächlich sieht er sogar deutlich besser aus. Die Schwellung ist zurückgegangen, und die Wunden sind nicht mehr so entzündet.
«Sieht gar nicht so schlimm aus, oder?», frage ich und hoffe, sie findet das auch.
Mathilde antwortet nicht. Sie dreht meinen Fuß behutsam hin und her. Dann berührt sie leicht die Wundränder.
«Tut das weh?»
«Nein.» Ich beobachte sie, während sie den Fuß eingehend untersucht. «Ist alles okay?»
Sie antwortet nicht. Ihre Miene bleibt ausdruckslos, als sie die Hand auf meine Stirn legt. «Fühlst du dich heiß? Fiebrig?»
«Nein. Warum?»
«Du siehst ein bisschen fiebrig aus.»
Sie beugt sich wieder über meinen Fuß. Ich lege meine Hand gegen die Stirn. Ich kann nicht sagen, ob sie sich heißer anfühlt als sonst.
«Hat sich die Infektion verschlimmert?»
Sie zögert nur kurz, ehe sie antwortet: «Ich glaube nicht.»
Die gelbliche Verfärbung vom Bluterguss rund um die Wunde scheint sich unheilvoll verdunkelt zu haben. Unbehaglich sehe ich zu, wie sie meinen Fuß reinigt und ihn wieder mit einer frischen Mullbinde umwickelt.
«Ist irgendwas nicht in Ordnung?»
«Ich bin sicher, dass alles okay ist.» Sie hält den Kopf gesenkt und schaut mich nicht an. «Manchmal muss man solche Wunden beobachten. Aber ich habe Verständnis, wenn du es eilig hast, hier wegzukommen.»
Ich starre weiter auf meinen Fuß, der wieder in makelloses Weiß gewickelt ist. Plötzlich spüre ich meine schmerzenden Muskeln. Vielleicht kommt das nur von der Anstrengung der letzten Nacht. Andererseits …
«Vielleicht sollte ich noch einen Tag bleiben?», schlage ich vor.
«Wie du willst. Du kannst gerne bleiben, solange du willst.»
Mathildes Miene verrät nichts. Sie sammelt die Sachen zusammen und geht nach unten. Als ich wieder allein bin, strecke ich probehalber den Fuß. Ich
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