Der Hof (German Edition)
Arme, als habe er die Diskussion damit für sich entschieden.
«Das war eine Traumrolle. Jeder halbwegs anständige Schauspieler wäre damit durchgekommen», sagt Yasmin und verdreht die Augen. Sie hat die Haare zurückgekämmt und trägt weite, schwarze Sachen, weil sie, wie Chloe mir mal anvertraut hat, wegen ihres Gewichts Komplexe hat.
«Ach, komm schon! Und was ist mit
Chinatown
? Oder
Departed – Unter Feinden
?»
«Was soll damit sein?» Chloe beginnt, an den Fingern abzuzählen: «
Die Hexen von Eastwick. Mars Attacks. Batman.
Der beste Schauspieler seiner Generation? Schon klar.»
Jez runzelt die Stirn. «
Batman
war in Ordnung. Allerdings nicht so gut wie
The Dark Knight
.»
Niemand nimmt von ihm Notiz. Er hat den ganzen Abend getrunken und den Gesprächsfaden schon vor einer halben Stunde verloren. Er arbeitet ebenso wie Callum an der Sprachenschule in Fulham, an der auch ich seit ein paar Monaten unterrichte. Yasmin ist seine Freundin und Chloes beste Freundin seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Kunstschule. Sie hat früher auch an der Sprachenschule gearbeitet, bis sie einen besser bezahlten Job an der Uni angeboten bekam.
Ich liebe diese Freitagabende. Die Kurse enden früher, und ein paar von uns gehen noch weg. Wir essen was und gehen dann in eines der unabhängigen, kleinen Kinos, die nur wenige U-Bahn-Stationen von der Sprachenschule entfernt liegen. Callum ist von Filmen besessen, entflammt immer wieder für andere Schauspieler, Drehbuchschreiber und Regisseure. Vor nicht allzu vielen Wochen hat er für Terrence Malick geschwärmt. Und nachdem wir kürzlich eine Aufführung von
Die Kunst zu lieben
gesehen haben, ist für die nächsten Wochen Jack Nicholson sein Gott.
Ich nehme einen Schluck Bier und streichle unter dem Tisch Chloes Oberschenkel. Sie drückt meine Hand und lächelt. Dann richtet sie sich auf und schiebt ihren Stuhl zurück.
«Ich gehe wohl lieber zurück.»
Sie beugt sich herunter und küsst mich. Ihre kurzen Haare berühren einen Moment mein Gesicht, dann ist sie fort und geht an die Bar. Das Domino liegt in der Nähe der King’s Road und nicht weit von einem unserer Stammkinos, aber wir kommen vor allem deshalb immer her, weil Chloe hier arbeitet. Es ist dunkel und modern eingerichtet. Blaue Lichter beleuchten die Flaschen an der Wand hinter der Bar. Wir könnten es uns nie leisten herzukommen, wenn Chloe uns nicht billige Drinks besorgen könnte. Sie sagt, der Geschäftsführer weiß Bescheid, also nehme ich an, das ist okay. Trotzdem frage ich mich manchmal, ob er weiß, wie großzügig er ist.
Ich blicke hinter ihr her. Sie lacht über etwas, das Tanja sagt, die auch hier arbeitet. Dann nimmt sie ein volles Tablett und beginnt zu servieren. Freitags ist viel los.
«Chloe geht’s doch gut, oder?», fragt Yasmin.
Ich drehe mich zu ihr um. Sie lässt Chloe auch nicht aus den Augen. «Klar. Wieso sollte es ihr nicht gut gehen?»
Yasmin lächelt und sagt mit einem Schulterzucken: «Ach, nur so. Ich habe bloß laut gedacht.»
Das scheint mir eine merkwürdige Begründung zu sein. Aber ich werde abgelenkt, weil Callum anfängt, über Kurosawa herzuziehen.
«Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist», sage ich und stelle mein Bier ab.
Fünf Minuten später habe ich vergessen, was Yasmin gesagt hat.
Aber ich erinnere mich später in der Nacht wieder an ihre Worte. Ich muss warten, bis die Bar schließt und Chloe die glänzende Edelstahltheke abgewischt hat und alle Gläser weggeräumt sind. Erst dann können wir heimgehen.
Draußen wartet Tanja auf ihren Freund, der sie abholt. Wir wünschen ihr eine gute Nacht und machen uns auf den Weg, nach Hause. Für die U-Bahn ist es zu spät, und Taxis sind ein seltener Luxus, aber bis Earl’s Court ist es auch nicht so weit. Kalt ist es trotzdem. Der Vollmond steht am klaren Himmel, und auf dem Pflaster glitzert der Frost wie Diamantensplitter.
Ich öffne meinen Mantel und wickle ihn um uns beide. Chloe schiebt den Arm um meine Taille. Ihr Körper drückt sich warm gegen meine Brust. Die Geschäfte, an denen wir vorbeikommen, sind verrammelt, und die angeschlagenen Titelseiten vom Evening Standard verkünden Nachrichten, die schon wieder veraltet sind. Ich sollte vermutlich nervöser sein, weil wir so spät durch diesen Teil der Stadt laufen. Aber das bin ich nie. Die Gegend ist mir zu vertraut, um eine Bedrohung darzustellen.
Wir lachen leise, um die Nachbarn nicht aufzuwecken, als wir die Straße zur Wohnung
Weitere Kostenlose Bücher