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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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gesehen außer dem Wein. Wenn ich die säuerlich riechenden Korken und den Platz in der Scheune richtig deute, wo vorher wohl die Apparaturen gestanden haben, scheint der Hof als Weingut auch nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein.
    Ich frage mich, wovon sie leben.
    Ich habe mich genug ausgeruht, und meine nackte Haut beginnt zu brennen und sich zu röten. Schwerfällig komme ich auf die Füße, klemme mir die Krücke unter den Arm und schlurfe um die Ecke des Gebäudes. Dort ist das Plumpsklo ohne Dach, das nur aus einem Loch im Boden besteht, und dahinter finde ich mich im Innenhof wieder, an den ich mich noch gut erinnern kann. Hier ist es sogar noch heißer. Die Hitze flirrt über den Pflastersteinen, und das eingerüstete Haus, in dem ich damals nach Wasser gefragt habe, wirkt in der gleißenden Sonne wie ausgebleicht. Ein Wetterhahn hängt schief auf dem eingedrückten Dach und wartet auf einen Lufthauch.
    Einige Hennen picken gemütlich im Schmutz, aber sonst ist niemand hier. Der Gedanke an Wasser hat mich wieder durstig gemacht. Es gibt den Hahn in der Scheune, aber nach dem gleichgültigen alten Mann möchte ich gern ein anderes menschliches Gesicht sehen, und wenn es nur kurz ist. Ich humple rüber zu dem Haus. Die Krücke rutscht immer wieder auf den glatten Katzenkopfsteinen weg. Die kaputte Uhr am Giebel des Stalls zeigt immer noch dieselbe Zeit an. Zwanzig vor irgendwas. Die Fahrzeuge, die darunter geparkt sind, wurden seit meinem letzten Besuch offensichtlich nicht bewegt. Ein staubiger Lastwagen mit Anhänger steht vor dem Stall, als wäre er dort verendet, während der Kühler eines altersschwachen Traktors aus einer der bogenförmig überspannten Boxen schaut wie die Schnauze eines schlafenden Hunds. Eine andere Box wird von der Esse einer alten Schmiede eingenommen. Stahlstreifen lehnen an der Esse, aber erst als ich die brutalen, dreieckigen Zähne an einem der Streifen sehe, erkenne ich, was ich da vor mir habe.
    In meinem Fuß setzt die Erinnerung neuerlichen Schmerz frei. Eilig gehe ich zum Haus weiter.
    Es ist sogar noch heruntergekommener, als ich es in Erinnerung hatte. Das Gerüst verdeckt die Hälfte der Fassade, und an den Fenstern hängen schief wie die Flügel toter Motten die unbehandelten Läden. Der Boden direkt am Fundament ist mit Mörtelbatzen übersät. Irgendwer muss den halbherzigen Versuch unternommen haben, die einsturzgefährdete Fassade zu reparieren, doch offensichtlich hat er dieses Vorhaben rasch aufgegeben. Und nicht erst kürzlich, denn das Gerüst ist an den Verschraubungen schon rostig und ebenso ein Beitel, der auf dem Boden liegt. Als ich mit meiner Krücke dagegenstoße, hinterlässt der Beitel einen perfekten Abdruck auf den Steinen.
    Die Küchentür steht offen. Ich wische mir den Schweiß aus den Augen, ehe ich klopfe. «Hallo?»
    Niemand antwortet. Als ich mich umsehe, entdecke ich ein Stück weiter eine andere Tür, die unbehandelt und krumm ist. Mit der Krücke quäle ich mich dorthin und klopfe an, ehe ich die Tür zögernd aufschiebe. Im Innern ist es dunkel, und selbst vor der Tür spüre ich die feuchte Kälte, die aus diesem Lagerraum strömt.
    «Was machen Sie hier?»
    Ich wirbele herum und führe ein kompliziertes Tänzchen mit der Krücke und meinem gesunden Fuß auf, um das Gleichgewicht zu bewahren. Mathildes Vater ist hinter dem Stall aufgetaucht. Er trägt eine Leinentasche über der Schulter, aus der das blutige Bein eines Kaninchens hervorschaut. Am meisten besorgt mich aber das Gewehr, das er in den Händen hält und das jetzt direkt auf mich zielt.
    «Sind Sie taub? Ich fragte, was Sie hier zu suchen haben.»
    Bei Tageslicht sieht er älter aus. Eher sechzig als fünfzig. Auf seiner Stirn haben sich braune Altersflecke ausgebreitet. Er ist nicht besonders groß und kurzbeinig bei einem langen Rumpf. Trotzdem ist er ein Bulle von einem Mann.
    Ich brauche einen Moment, um mich auf der Krücke abzustützen, und versuche, nicht auf das Gewehr zu starren. «Nichts.»
    Er schaut an mir vorbei auf die offene Tür. «Warum schleichen Sie hier rum?»
    «Ich wollte einen Schluck Wasser.»
    «Es gibt in der Scheune einen Wasserhahn.»
    «Das weiß ich, aber ich brauchte auch etwas frische Luft.»
    «Ich dachte, Sie wollten einen Schluck Wasser?» Von der verwitterten Haut heben sich die hellgrauen Augen wie dreckiges Eis ab. Als er die Krücke sieht, werden sie noch kälter. «Wo haben Sie die her?»
    «Ich habe sie auf dem Dachboden

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