Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Hellinikon-Flughafen in Athen ins Telefon. »Inzwischen hat er es bestimmt gehört. Die Belastung wird ihn zerreißen; er wird nicht wissen, was er tun soll. Sag unserem Mann in Paris, er soll sich die nächsten vierundzwanzig Stunden in seiner Nähe halten. Er darf nicht nach Amerika zurückkehren.«
»Das wird er nicht«, sagte Gretchen Beaumont, Tausende von Kilometern entfernt.
»Ich wäre da nicht so sicher. Die psychischen Belastungen bauen sich genau richtig auf; unsere Zielperson befindet sich in einem höchst labilen Geisteszustand. Aber man kann ihn lenken. Er erwartet mich; er sieht in mir jetzt die Antwort auf so viele Dinge, aber die Schlinge muß noch enger gezogen werden. Ich möchte, daß er zuerst nach Berlin geht. Auf ein oder zwei Tage. Zu Kessler. «
»Sollen wir seine Mutter einsetzen? Wir könnten dafür sorgen, daß sie auf die Idee kommt.«
»Nein. Sie darf unter keinen Umständen hineingezogen werden. Das wäre viel zu gefährlich.«
»Wie willst du ihm dann die Reise nach Berlin nahelegen?« fragte Gretchen Beaumont in England.
»Gar nicht«, antwortete John Tennyson in Athen. »Ich bringe unsere Schwester dazu, daß sie ihn auf diesen Schluß hinlenkt. Sie versucht natürlich zur Zeit, mich zu erreichen.«
»Paß auf bei ihr, Johann.«
»Keine Sorge.«
Grußlos hing Tennyson ein.
Holcroft ging am Ufer der Seine entlang, ohne den beißend kalten Wind wahrzunehmen, der vom Fluß heraufwehte. Vor einer Stunde war er noch voll Zuversicht gewesen, jetzt kam er sich verloren vor. Er wußte nur, daß er in Bewegung bleiben, einen klaren Kopf bekommen und Entscheidungen treffen mußte.
Und dann galt es, einige Dinge neu zu überdenken. Vor einer Stunde noch war der eine Mann, auf den er geglaubt hatte zählen zu dürfen, Heldens Bruder gewesen. Jetzt zweifelte er daran. Ein außer Kontrolle geratener Wagen auf einer Straße in New York, der das Leben des einzigen Vaters dahinraffte, den er je gekannt hatte - da war zu viel Ähnlichkeit mit einem nie aufgeklärten Unfall in einer Londoner Untergrundbahn.
Der Mann ist einem höchst ungewöhnlichen Unglück zum Opfer gefallen, bei dem fünf Menschen ihr Leben verloren. MI-5.
Eine Exekution... ein Unfall, bei dem nicht nur die Zielperson getötet wurde. David Miles. NYPD.
Plötzlich war ein Zusammentreffen mit Tennyson nicht
mehr die Antwort auf alles; der Schatten des Tinamu war wieder aufgetaucht.
Eines Tages kommt ein Mann und spricht von einer seltsamen Abmachung. Tennyson erwartete ihn, aber vielleicht erwartete er ihn aus den falschen Gründen. Vielleicht hatte er ihren Vertrag bereits um einen höheren Preis verkauft.
Wenn er das getan hatte, dann war er ebenso sicher für Richard Holcrofts Tod verantwortlich, als ob sein Fuß auf dem Gaspedal gestanden, als ob seine Hände das Steuer gehalten hätten. Wenn das der Fall sein sollte, würde Tennyson ihr Zusammentreffen nicht überleben. Der Sohn würde für den Vater töten; das war er Richard Holcroft schuldig.
Noel blieb stehen und legte beide Hände auf den Betonsims der Ufermauer. Er staunte über sich selbst... über seine Gedanken. Er projizierte sich tatsächlich in die Rolle eines Mörders hinein! Sein Vertrag forderte einen Preis, der schrecklicher war als alles, was er bisher in Betracht gezogen hatte.
Er würde Tennyson mit den Tatsachen konfrontieren, so wie man sie ihm gegeben hatte. Er würde den Sohn von Wilhelm von Tiebolt aufmerksam beobachten. Wahrheit oder Lüge: er würde das aus Tennysons Worten, aus seinen Augen lesen können. Holcroft hoffte zu Gott, daß er das Richtige erkannte.
Ein Schritt nach dem anderen. In sein Denken begann Klarheit einzuziehen. Jede Bewegung mußte sorgfältig überlegt werden; aber diese Vorsicht durfte ihn nicht langsam machen.
Das Wichtigste zuerst, und ganz im Vordergrund stand die unwiderlegbare Tatsache, daß er nicht länger imstande war, sich frei und unbewacht zu bewegen. Die allertödlichste Warnung, die man sich vorstellen konnte, war an ihn ergangen: man hatte jemanden getötet, den er liebte. Diese Warnung erfüllte ihn mit Furcht und Wut. Die Furcht würde ihn vorsichtig machen, die Wut ihm ein gewisses Maß an Wagemut und Beherztheit verschaffen. Das mußte sie; er verließ sich darauf.
Und dann seine Mutter. Was konnte er sagen, das sie, ohne Argwohn zu schöpfen, akzeptierte? Sie mußte ihm unbedingt
glauben. Wenn sie auch nur einen Augenblick annahm, der Tod ihres Mannes sei das Werk von Männern, die das
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