Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
konnte die Furcht in meinen Augen nicht sehen. Seine Hände zitterten, und er flüsterte ein Gebet in französischer Sprache. Einen Augenblick lang wollte ich auf den Mann zugehen und seine Hände halten und ihm sagen, daß ich wußte, wie er empfand. Siehst du, er hat die Furcht in meinen Augen nicht gesehen. Ich habe Angst, Helden. Ich bin nicht der Mensch, der einfach Türen eintritt und Pistolen abfeuert und auf sich schießen läßt. Ich kann nicht kehrtmachen, aber ich fürchte mich. Also mußt du mir helfen.«
»Das will ich doch, das weißt du.«
»Dann mußt du mir sagen, was in Rio geschah. Was ist mit deinem Bruder passiert?«
»Es ist einfach nicht wichtig«, sagte sie.
»Alles ist wichtig. « Noel stand auf und ging zu dem Stuhl, über den er sein Jackett geworfen hatte. Er zeigte Helden das aufgeschlitzte Futter. »Schau dir das an. Heute nachmittag ist jemand mit einem Messer auf mich losgegangen. Ich weiß nicht, wie es mit dir ist, aber mir ist so etwas noch nie passiert; es ist einfach etwas, worüber ich nichts weiß. Es jagt mir panische Angst ein... und es bringt mich in Rage. Und vor fünf Tagen ist der Mann, mit dem ich aufgewachsen bin – der einzige Mann, den ich je Vater genannt habe -, auf einem Trottoir in New York von einem >außer Kontrolle geratenen Wagen< getötet worden, einem Wagen, der auf ihn zielte und ihn gegen eine Hauswand quetschte! Sein Tod war eine Warnung. Für mich! Also reden wir nicht so von der RACHE oder der ODESSA oder den Männern der Wolfsschanze. Ich fange an, alles über diese elenden Schweinehunde zu lernen, und ich möchte, daß jeder einzelne von ihnen aus dem Weg geschafft wird! Mit dem Geld in Zürich können wir das tun. Ohne dieses Geld wird niemand auf uns hören. So ist die Welt nun einmal eingerichtet. Leute, die siebenhundertachtzig Millionen Dollar besitzen, wimmelt man nicht ab. Man hört auf sie.« Holcroft ließ das Jackett zu Boden fallen. »Und der einzige Weg nach Zürich führt über die Bank in Genf. Und nach Genf kommen wir nur, wenn wir unseren Kopf gebrauchen. Es gibt wirklich niemanden, der auf unserer Seite steht; es gibt nur uns. Die von Tiebolts, die Kesslers... und einen Clausen. Also, was war in Rio los?«
Helden sah zuerst das zerrissene Jackett und dann wieder Noel an.
»Johann hat jemanden umgebracht.«
»Wen?«
»Ich weiß nicht – ich weiß es wirklich nicht. Aber es war jemand Wichtiges.«
23.
Holcroft hörte ihr zu, achtete darauf, ob da irgendein falscher Klang war. Aber da war keiner. Sie sagte ihm, was sie wußte, und das war nicht sehr viel.
»Etwa sechs Wochen, ehe wir Brasilien verließen«, erzählte Helden, »fuhr ich eines Abends nach einem Seminar in der Universität nach Hause; wir lebten damals auf dem Land. Vor dem Haus stand eine dunkle Limousine, also parkte ich dahinter. Als ich auf die Terrasse zuging, hörte ich von drinnen Geschrei. Es war ein schrecklicher Streit, und ich hatte keine Ahnung, wer es war; ich erkannte die Stimme nicht. Er schrie immer wieder >Killer<, >Mörder<, >du warst es<... Lauter solche Sachen. Ich rannte hinein und sah Johann im Flur vor dem Mann stehen. Er sah mich und sagte zu dem Mann, er solle still sein. Der Mann versuchte, Johann zu schlagen, aber mein Bruder ist sehr kräftig; er hielt die Arme des andern fest und schob ihn zur Tür hinaus. Das Letzte, was der Mann schrie, war, daß andere ebenfalls Bescheid wüßten. Daß sie dafür sorgen würden, daß man Johann als Mörder aufknüpfte, und wenn es nicht dazu kam, würden sie ihn selbst hinrichten. Auf der Treppe kam er zu Fall, dabei schrie er immer noch, und dann rannte er zum Wagen, und Johann lief hinter ihm her. Er sagte irgend etwas zu ihm durchs Fenster; und da spuckte der Mann meinem Bruder ins Gesicht und fuhr weg. «
»Hast du deinen Bruder danach befragt?«
»Natürlich. Aber Johann wollte nicht darüber reden. Er sagte bloß, der Mann sei verrückt. Er habe bei einem Geschäft sehr viel Geld verloren und sei dabei verrückt geworden.«
»Du hast ihm nicht geglaubt?«
»Ich wollte schon, aber dann fingen die Besprechungen an. Johann war dauernd weg, manchmal tagelang; er benahm sich ganz ungewöhnlich. Und dann, nur Wochen später, flogen wir mit einem neuen Namen nach Recife, in ein neues Land. Der Ermordete mußte sehr reich gewesen sein.«
»Du hast keine Ahnung, wer der Mann war, den du damals in eurem Haus gesehen hast?«
»Nein. Ich hatte ihn schon einmal gesehen, aber ich konnte
mich nicht
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