Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Schulter, und sie gingen in Richtung Quai Saint-Bernard am linken Seine-Ufer entlang. »Ich habe dir eine Menge zu erzählen, einiges davon gut, einiges nicht so gut. Aber wenn es ein Fortschritt ist, etwas zu erfahren, dann glaube ich, haben wir ein paar Riesenschritte hinter uns. Hast du was von deinem Bruder gehört?«
»Ja. Heute nachmittag. Er hat eine Stunde nach dir angerufen. Seine Pläne haben sich geändert; er kann morgen in Paris sein.«
»Das ist die beste Nachricht, die du mir bringen konntest. Zumindest glaube ich das. Ich sage es dir morgen. Habe ich dir gefehlt?«
»Noel, du bist verrückt. Du bist gestern nachmittag abgereist. Ich hatte kaum Zeit, nach Hause zu kommen, zu baden, einmal richtig zu schlafen und zur Arbeit zu gehen.«
»Du bist nach Hause gegangen? In dein Apartment?«
»Nein, ich -« Sie hielt inne und blickte zu ihm auf, lächelte. »Sehr gut, Noel Holcroft, neuer Rekrut. Beiläufig verhören.«
»Mir ist nicht beiläufig zumute.«
»Du hast mir versprochen, diese Frage nicht zu stellen.«
»So eindeutig nicht. Ich habe dich gefragt, ob du verheiratet seist, oder mit jemandem lebst — und ich habe auf die erste Frage eine Verneinung und auf die zweite eine recht nichtssagende Antwort bekommen -, aber ich habe nie versprochen, daß ich nicht versuchen werde, irgendwie herauszufinden, wo du wohnst.«
»Du hast es aber angedeutet, Darling. Eines Tages werde ich es dir sagen, und dann wirst du sehen, wie dumm du bist.«
»Sag es mir jetzt. Ich bin verliebt. Ich will wissen, wo die Frau, die ich liebe, wohnt.«
Das Lächeln verschwand einen Augenblick von ihren Lippen, dann kehrte es wieder zurück, und sie blickte zu ihm auf. »Du bist wie ein kleiner Junge, der ein neues Wort übt. Du kennst mich nicht gut genug, um mich zu lieben; das habe ich dir gesagt.«
»Das habe ich vergessen. In Wirklichkeit magst du Frauen. «
»Einige meiner besten Freunde sind Frauen.«
»Aber du würdest keine heiraten.«
»Ich will niemanden heiraten.«
»Gut. Das ist dann nicht so kompliziert. Du brauchst nur auf die nächsten zehn Jahre zu mir zu ziehen, und wir können uns ja beiderseits die Option offenlassen.«
»Du sagst so nette Dinge zu mir.«
Sie blieben an einer Straßenkreuzung stehen. Er drehte Helden zu sich herum, hatte die Hände auf ihren beiden Armen. »Die sage ich, weil mir danach zumute ist.«
»Ich glaube dir«, sagte sie und sah ihn eigenartig an, und ihre Augen blickten teils fragend, teils verängstigt.
Er sah die Angst; das störte ihn, und so lächelte er.
»Liebst du mich ein bißchen?«
Sie brachte das Lächeln nicht zuwege. »Ich glaube, daß ich dich mehr als ein bißchen liebe. Du bist ein Problem, das ich nicht wollte. Ich bin nicht sicher, daß ich damit fertig werde. «
»Das ist ja noch besser.« Er lachte und griff nach ihrer Hand, um mit ihr über die Straße zu gehen. »Es ist nett zu wissen, daß du nicht auf alles eine Antwort hast.«
»Hast du das denn geglaubt?«
»Ich dachte, du würdest das meinen.«
»Tue ich nicht.«
Das Restaurant war nur halb voll. Helden bat um einen Tisch im Hintergrund, wo man sie vom Eingang aus nicht sehen konnte. Der Besitzer nickte. Es war ihm anzusehen, daß er nicht ganz ergründen konnte, weshalb diese belle femme mit einem so ärmlich gekleideten Begleiter in sein Etablissement kam. Was er dachte, stand ihm in den Augen geschrieben: die Dinge standen in diesen Tagen schlecht für die Mädchen von Paris, in diesen Nächten.
»Er scheint mich zu mißbilligen«, sagte Holcroft.
»Noch ist nicht alles verloren. Du bist in seiner Wertschätzung gestiegen, als du teuren Whisky bestellt hast. Er hat gegrinst, hast du das nicht gesehen?«
»Er hat mein Jackett gemustert. Das stammt aus besserem Hause als der Mantel.«
Helden lachte. »Der Sinn dieses Mantels war auch nicht, deinen modischen Geschmack zu unterstreichen. Hast du ihn in Berlin benutzt?«
»Ja. Ich hab’ ihn angehabt, als ich eine Hure aufgabelte. Bist du eifersüchtig?«
»Nicht auf jemanden, der ein Angebot eines so schlecht gekleideten Mannes annimmt.«
»Sie war der Inbegriff von Schönheit.«
»Glück für dich. Wahrscheinlich war sie eine Agentin von ODESSA, und du hast dir ein Andenken von ihr zugezogen, ganz planmäßig. Du solltest besser einen Arzt aufsuchen, ehe du wieder zu mir kommst.«
Noel griff nach ihrer Hand. Alle Heiterkeit war aus seiner Stimme verflogen, als er sagte: »Die ODESSA braucht uns nicht zu beunruhigen.
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