Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Ausschau halten.«
»Wir müssen uns die andere Sauerei ansehen!« schrie Kessler. »Wer auch immer dieser Mann heute nacht war, wer auch immer die zwei Männer in Montereau waren, gemessen an unserer Hauptsorge sind sie zweitrangig! Sieh den Dingen doch ins Auge, Johann! Die Briten wissen, daß du der Tinamu bist! Das darfst du nicht länger verdrängen. Sie wissen, daß du der Tinamu bist!«
»Da muß ich dich korrigieren. Sie vermuten, daß ich es bin; sie wissen es nicht. Und wie Holcroft so richtig sagte, sie werden bald davon überzeugt sein, daß sie sich irren, wenn sie das nicht bereits geschnallt haben. Tatsächlich ist das eine sehr vorteilhafte Position für uns.«
»Du bist verrückt!« schrie Kessler. »Du wirst alles gefährden! «
»Im Gegenteil«, sagte Tennyson ruhig. »Ich werde alles sichern. Gibt es denn einen besseren Verbündeten als MI-5? Wir haben ja schon Leute im britischen Geheimdienst, aber niemanden, der so weit oben steht wie Payton-Jones.«
»Wovon, um Gottes willen, redest du denn jetzt?« Kessler war der Schweiß ausgebrochen; an seinem Hals traten die Adern hervor.
»Setz dich, Erich.«
»Nein!«
»Du sollst dich setzen!«
Kessler setzte sich. »Ich lasse das nicht zu, Johann.«
»Du brauchst gar nichts zuzulassen, bloß zuzuhören.«
Tennyson beugte sich vor. »Laß uns für ein paar Augenblicke die Rollen tauschen; laß mich den Professor sein.«
»Du sollst mich nicht bedrängen. Wir kommen nicht mit Leuten klar, die sich einmischen wollen, ohne sich zu zeigen. Die haben etwas zu verbergen. Aber damit kommen wir nicht klar. Wenn man dich beseitigt, was bleibt dann noch?«
»Höchst schmeichelhaft, aber du darfst nicht so denken. Wenn mir etwas zustoßen sollte, dann gibt es Listen, Namen von unseren Leuten überall. Man kann unter ihnen einen Mann finden; das Vierte Reich wird in jedem Fall einen Führer haben. Aber mir wird nichts zustoßen. Der Tinamu ist mein Schild, mein Schutz. Wenn man ihn schnappt, werde ich nicht nur frei von Verdacht sein, ich bin dann auch eine geachtete Persönlichkeit.«
»Du mußt den Verstand verloren haben! Du bist der Tinamu. «
Tennyson lehnte sich zurück. Er lächelte. »Wir wollen unseren Meuchelmörder einmal näher untersuchen, ja? Vor zehn Jahren hast du auch zugegeben, daß er meine beste Schöpfung sei. Ich glaube, du hast damals gesagt, der Tinamu könne sich einmal als unsere wichtigste Waffe erweisen.«
»In der Theorie. Nur in der Theorie. Das war eine akademische Meinung; das habe ich auch gesagt!«
»Das ist richtig, du suchst oft in deinem Elfenbeinturm Zuflucht, und so sollte es auch sein. Aber weißt du, du hattest recht. Wenn man einmal wirklich gründlich darüber nachdenkt, dann können uns all die Millionen in der Schweiz nur dann nützen, wenn wir sie auch einsetzen können. Überall gibt es Gesetze; man muß sie umgehen. Es ist nicht so einfach, wie es früher einmal war, wo man einen Reichstag kaufen konnte, oder einen Block von Sitzen im Parlament; oder eine Wahl in Amerika. Aber für uns ist es bei weitem nicht so schwierig, wie es für andere wäre; das war deine Ansicht vor zehn Jahren, und das gilt heute in noch viel höherem Maße. Wir sind in der Lage, außergewöhnliche Forderungen an die einflußreichsten Männer jeder Regierung von Bedeutung heranzutragen. Schließlich haben sie den Tinamu dafür bezahlt,
daß er ihre Widersacher beseitigt. Von Washington bis Paris oder Kairo; von Athen bis Beirut und von London bis Warschau, ja selbst in Moskau. Der Tinamu ist unwiderstehlich. Er ist unsere Atombombe.«
»Und er kann auch uns mit seinem radioaktiven Niederschlag erledigen!«
»Das könnte er«, pflichtete Tennyson ihm bei, »aber das wird er nicht. Erich, vor Jahren haben wir einander gelobt, wir wollten keine Geheimnisse voreinander haben. Und dieses Gelöbnis habe ich in allen Angelegenheiten gehalten, nur in einer Sache nicht. Das war, wie man so sagt, eine geheime Kommandosache. «
»Was hast du getan?« fragte Kessler.
»Ich habe uns jene wichtigste Waffe gegeben, von der du vor zehn Jahren gesprochen hast.«
»Und wie?«
»Du hast dich da gerade sehr deutlich ausgedrückt. Du hast deine Stimme erhoben und gesagt, ich sei der Tinamu.«
»Der bist du doch!«
»Nein, der bin ich nicht.«
»Was?«
»Ich bin nur eine Hälfte des Tinamu. Sicher, die bessere Hälfte, aber immerhin nur die Hälfte. Ich habe jahrelang einen anderen ausgebildet; er ist mein Ersatzmann an der Front. Er
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