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Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Titel: Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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am Wasser war Lärm zu hören. Die beiden Frauen konnten die Worte verstehen... weil sie für sie bestimmt waren.
    »Sie sind hier nicht willkommen, Monsieur! Es gibt keine solche Frau, wie Sie sie beschreiben! Bitte, gehen Sie.«
    »Geben Sie mir keine Befehle! Sie ist hier!«
    Helden zuckte zusammen. Das war eine Stimme, die sie ihr ganzes Leben lang gehört hatte.
    »Das hier ist eine private Anlegestelle. Ich fordere Sie noch mal auf, zu gehen!«
    »Öffnen Sie die Tür da!«
    »Was? Welche Tür?«
    »Die hinter Ihnen!«
    Helden drehte sich zu Althene Holcroft herum. »Ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich es gut mit Ihnen meine. Gehen Sie ins Wasser! Man darf Sie nicht sehen!«
    »Weshalb soll ich Ihnen glauben?« Die alte Frau starrte an Helden vorbei auf den Kai und den Schuppen; sie war erschreckt, unschlüssig. »Sie sind jung und stark. Sie könnten mich leicht töten.«
    »Der Mann da drin will Sie töten«, flüsterte Helden. »Er hat versucht, mich zu töten.«
    »Wer ist er?«

    »Mein Bruder. Seien Sie um Gottes willen still!«
    Helden packte Althene um die Hüften und zwang die alte Frau auf den Plankenbelag des Kais hinunter. Dann rollte sie sich und die alte Frau ganz vorsichtig über den Rand ins Wasser. Althene zitterte, sie hatte Wasser in den Mund bekommen; jetzt hustete sie und schlug um sich. Helden hielt die alte Frau an der Hüfte fest, trat Wasser.
    »Sie dürfen nicht husten! Sie dürfen kein Geräusch machen. Legen Sie sich den Riemen Ihrer Handtasche um den Hals. Ich helfe Ihnen.«
    »Gott im Himmel, was tun Sie?«
    »Seien Sie still.«
    Etwa zehn Meter vom Kai entfernt war ein kleines Boot mit Außenbordmotor vertäut. Helden zog Althene auf den schützenden Schatten seines Rumpfes zu. Sie hatten die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sie das Krachen einer Tür hörten und den Lichtkegel einer kräftigen Taschenlampe sahen. Er tanzte unruhig, während der blonde Mann auf den Pier zulief, dann stehenblieb und den Lichtbalken aufs Wasser richtete. Heldens Bein schmerzte jetzt schier unerträglich, als sie sich abmühte, das Boot zu erreichen.
    Sie schaffte es nicht; sie hatte keine Kraft mehr im Bein, und das Gewicht ihrer schweren Kleider war ihr zuviel.
    »Versuchen Sie, das Boot zu erreichen«, flüsterte sie. »Ich schwimme zurück... er wird mich sehen und -«
    »Seien Sie still!« sagte die alte Frau, deren Arme sich jetzt in schnellen, leichten Bewegungen ausbreiteten und damit Heldens Last erleichterten. »Das ist derselbe Mann. Ihr Bruder. Er hat eine Pistole. Schnell . Kommen Sie.«
    »Ich kann nicht. «
    »Doch.«
    Gemeinsam, sich gegenseitig stützend, strebten sie wieder dem Boot zu. Der blonde Mann war auf dem Kai, und der Lichtkegel seiner Taschenlampe wanderte in einem methodischen Muster über die Wasserfläche. Binnen Sekunden würde sie das Licht erreichen; es bewegte sich jetzt wie ein tödlicher Laserstrahl. In dem Augenblick, in dem er sie erreichte, würde ein Kugelhagel auf sie niedergehen, und dann wäre alles vorbei.

    Johann von Tiebolt war ein erstklassiger Schütze, und seine Schwester wußte das.
    Jetzt kam der blendende Strahl; der Bootsrumpf war über ihnen. Instinktiv drückten beide Frauen das Gesicht ins Wasser und tauchten unter. Der Strahl zog vorbei. Jetzt waren sie hinter dem Boot; die Kette, an dem es vertäut lag, hing an ihren Kleidern fest. Sie klammerten sich an die Kette, als wäre sie eine Rettungsleine, und füllten ihre erschöpften Lungen mit Luft.
    Schweigen. Schritte. Zuerst langsam und bedächtig, und dann immer schneller werdend, als Johann von Tiebolt den Kai verließ. Dann wieder das Krachen einer Tür und wieder Stimmen.
    »Wo ist sie hin?«
    »Sie sind verrückt!«
    »Und Sie tot!«
    Ein Schuß peitschte über den See. Ein Schmerzensschrei folgte ihm, dann ein zweiter Schuß. Dann herrschte wieder Stille.
    Minuten verstrichen. Die zwei Frauen im Wasser sahen einander im weichen Mondlicht an. Tränen füllten die Augen von Helden von Tiebolt. Die alte Frau berührte das Gesicht des Mädchens und sagte nichts.
    Jetzt zerriß das Aufheulen eines Motors den Schrecken der lastenden Stille. Dann quietschende Reifen und das Geräusch von wegspritzendem Kies. Die zwei Frauen nickten einander zu und bewegten sich wieder, einander festhaltend, in Richtung auf den Kai zu.
    Sie krochen eine Leiter hinauf und knieten in der Finsternis, atmeten tief.
    »Ist das nicht seltsam«, sagte Althene.

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