Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
unverdächtig. Er gehörte zu den besten Bauingenieuren in der Branche. Aber Sam war der Sonne so lange gefolgt, bis sie sein Hirn verbrannt hatte. Er war fünfzig und der geborene Absahner, der mal am City College in der Bronx studiert hatte und es jetzt vorzog, in wärmerem Klima schnell ans große Geld zu kommen.
Eine kurze Dienstzeit beim Ingenieurcorps der Army hatte Buonoventura davon überzeugt, daß es jenseits der Grenzen der Vereinigten Staaten eine bessere, einträglichere Welt gab, besonders südlich der Keys. Man brauchte bloß gut zu sein — gut in einem Job, der Teil eines größeren Jobs war, in den viel Geld investiert wurde. Und der Bauboom der fünfziger und sechziger Jahre in Lateinamerika und in der Karibik war wie für Sam geschaffen, von dem Firmen und Regierungen bald die Überzeugung gewannen, daß er der Mann war, der alles im Griff hatte.
Hatte Sam sich erst einmal einen Überblick über die Baupläne, die verfügbaren Arbeitskräfte und Gelder verschafft und seinen Auftraggebern den Termin genannt, an dem ein Hotel oder ein Flughafen oder ein Damm stünden, irrte er sich selten um mehr als vier Prozent. Er war ein Traum von einem Architekten: er betrachtete sich nicht als Künstler, sondern als Manager.
Noel hatte bei zwei Auslandsaufträgen mit Buonoventura
zusammengearbeitet, das erstemal in Costa Rica, wo Holcroft, wenn Sam nicht gewesen wäre, sein Leben verloren hätte. Der Ingenieur hatte darauf bestanden, daß der gepflegte, höfliche Architekt aus den vornehmeren Vierteln von Manhattan lernte, mit einem Revolver umzugehen, nicht nur mit einer Jagdflinte von Abercrombie & Fitch. Sie bauten ein Postamt irgendwo im Hinterland, und das war weiß Gott eine andere Umgebung als die Cocktailbars im Plaza und im Waldorf und auch weit ab von San José. Der Architekt hatte die Schießübungen am Wochenende als lächerlich empfunden, aber die Höflichkeit verlangte, daß er gute Miene zum bösen Spiel machte. Die Höflichkeit und Buonoventuras dröhnende Stimme.
Am Ende der folgenden Woche freilich war ihm der Architekt höchst dankbar dafür. Aus den Bergen waren Diebe aufgetaucht, um von der Baustelle Sprengstoff zu stehlen. Zwei Männer brachen nachts in Noels Hütte ein, während er schlief. Als sie merkten, daß dort kein Sprengstoff zu holen war, rannte einer hinaus und rief seinem Komplizen zu:
»Matemos el gringo!«
Aber der gringo verstand die Sprache. Er griff nach seinem Revolver — dem Revolver, den Sam Buonoventura ihm beschafft hatte — und schoß den Mann, der ihn töten wollte, nieder.
Sam sagte dazu nur: »Wär das in Sizilien passiert, könnt ich jetzt für den Rest deines Lebens deinen Schutzengel spielen. «
Noel erreichte Buonoventura über eine Schiffahrtsgesellschaft in Miami. Er war gerade in den Niederländischen Antillen, in Willemstad auf der Insel Curaçao.
»Wie, zum Teufel, geht’s dir denn, Noley?« schrie Sam über das Telefon. »Herrgott, das muß jetzt schon vier oder fünf Jahre her sein! Was macht die Kunst? Kannst du noch schießen? «
»Das hab’ ich seit den colinas nicht mehr müssen, und so bleibt es auch, hoffentlich. Wie steht’s bei dir?«
»Die Knaben hier unten haben ’ne Masse Geld zu verpulvern, also bin ich mit von der Partie. Brauchst du Arbeit?«
»Nein. Eine Gefälligkeit.«
»Nämlich?«
»Ich muß aus privaten Gründen ein paar Monate von hier verschwinden. Ich brauch einen plausibel klingenden Grund, daß ich nicht in New York bin, nicht erreichbar. Einen Grund, über den die Leute sich nicht den Kopf zerbrechen. Ich hab’ da eine Idee, Sam, und ich hab’ mich gefragt, ob du mir helfen könntest, damit es klappt.«
»Wenn wir beide dasselbe meinen, dann ganz sicher.«
Sie meinten beide dasselbe. Es war nicht ungewöhnlich, daß bei Riesenprojekten an entlegenen Orten beratende Architekten eingestellt wurden, deren Namen nicht auf den Plänen oder Blaupausen erschienen, aber deren Erfahrung man brauchte. Diese Praxis beschränkte sich normalerweise auf jene Gegenden, wo aus Rücksicht auf den Lokalpatriotismus Einheimische angestellt werden mußten. Das Problem dabei war natürlich, daß nur allzu häufig die ortsansässigen Leute nicht über genügend Ausbildung und Erfahrung verfügten. Die Geldgeber schlossen alle Risiken aus, indem sie tüchtige Fachleute kommen ließen, die die Arbeit der Ortsansässigen überwachten und korrigierten und so dafür sorgten, daß die Projekte klappten.
»Hast du irgendwelche
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