Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
deinem Interesse.«
»Das klingt sehr von oben herab und angesichts dieses Briefes geradezu beleidigend.«
»Das sollte es nicht, glaub mir.« Holcroft beugte sich vor. »Niemand möchte, daß dieses Bankkonto auch nur im entferntesten
mit dir in Verbindung gebracht wird. Du hast diesen Brief gelesen, du weißt, um was es geht. Um Tausende und Abertausende von Menschen, um Hunderte Millionen Dollar. Kein Mensch kann voraussehen, wer dich für verantwortlich halten könnte. Du warst die Frau, die ihm die Wahrheit gesagt hat. Du hast ihn verlassen, weil er sich weigerte, diese Wahrheit zu akzeptieren. Als er schließlich begriff, daß das, was du sagtest, die Wahrheit war, hat er getan, was er getan hat. Vielleicht sind immer noch Männer am Leben, die dich dafür töten würden. Ich werde nicht zulassen, daß du in eine solche Situation gebracht wirst. «
»Ich verstehe. « Althene zog die zwei Worte in die Länge und wiederholte sie dann noch einmal, während sie sich von ihrem Stuhl erhob und langsam durch das Zimmer zu dem Erkerfenster ging. »Bist du sicher, daß das die Sorge der Männer in Genf ist?«
»Sie — er — haben das durchblicken lassen, ja. «
»Ich nehme an, das war nicht ihre einzige Sorge.«
»Nein.«
»Soll ich nachdenken, was sie noch beunruhigt haben könnte?«
Noel erstarrte. Nicht, daß er die Intelligenz seiner Mutter unterschätzt hätte — das tat er ganz gewiß nicht -, aber es ärgerte ihn jedesmal, wenn sie ihre Gedanken in Worte kleidete, ehe er selbst Gelegenheit gehabt hatte, sie auszusprechen.
»Ich nehme an, das liegt auf der Hand«, sagte er.
»So?« Althene wandte sich vom Fenster ab und sah ihn an.
»Es steht ja da. Wenn an die Öffentlichkeit käme, woher dieses Konto stammt, gäbe es juristische Probleme. Vor den internationalen Gerichten würden Ansprüche angemeldet werden. «
»Ja.« Seine Mutter sah weg. »Das liegt auf der Hand. Aber es erstaunt mich, daß man dir erlaubt hat, mir überhaupt etwas zu sagen.«
Noel lehnte sich unruhig in seinem Sessel zurück. »Warum? Willst du wirklich etwas unternehmen?«
»Die Versuchung ist groß«, antwortete sie und sah immer noch zum Fenster hinaus. »Ich glaube nicht, daß man je den
Wunsch verliert, zurückzuschlagen, sich an jemandem zu rächen, der einem sehr weh getan hat. Selbst wenn einem das dazu verholfen hat, sein Leben zu verbessern. Das war bei dem meinen - bei dem unseren — weiß Gott der Fall. Von einer Hölle zu einem Glück, wie ich es nie mehr zu erhoffen gewagt hätte.«
»Dad?« fragte Noel.
Althene drehte sich herum. »Ja. Er hat mehr riskiert, als du je begreifen wirst, um uns zu schützen. Ich war eine Närrin gewesen, und er hat diese Närrin aufgenommen — und das Kind der Närrin. Er hat uns mehr als nur Liebe gegeben; er hat uns auch unser Leben wiedergeschenkt. Und dafür hat er nur Liebe von uns erwartet.«
»Die hast du ihm gegeben.«
»Und ich werde sie ihm geben, bis ich sterbe. Richard Holcroft ist der Mann, von dem ich einmal glaubte, daß Clausen es wäre. Ich hatte unrecht, so schrecklich unrecht ... Die Tatsache, daß Heinrich seit vielen Jahren tot ist, scheint nichts auszumachen; der Abscheu, den ich empfinde, ist immer noch da. Ich will zurückschlagen.«
Noel achtete darauf, daß seine Stimme ruhig blieb. Er mußte seine Mutter von ihren Gedanken abbringen; die Überlebenden der Wolfsschanze würden sie sonst nicht am Leben lassen. »Du würdest dich an dem Mann rächen, an den du dich erinnerst, nicht an dem Mann, der diesen Brief geschrieben hat. Vielleicht war das, was du ursprünglich in ihm gesehen hast, wirklich da. Am Ende ist es in ihn zurückgekehrt. «
»Das wäre tröstlich, nicht wahr?«
»Ich glaube, daß es so ist. Der Mann, der diesen Brief geschrieben hat, hat nicht gelogen. Er hat gelitten. «
»Das hat er verdient; er hat so viel Leid verursacht; er war der rücksichtsloseste Mensch, den ich je gekannt habe. Aber äußerlich wirkte er völlig anders, beseelt von einer großen Sache. Aber—o Gott — als was hat sich diese Sache dann erwiesen!«
»Er hat sich verändert, Mutter«, unterbrach Holcroft. »Du hast seine Veränderung mit bewirkt. Am Ende seines Lebens wollte er nur mithelfen, das wieder gutzumachen, was er
getan hatte. Er spricht es aus: ›Wir müssen für Wiedergutmachung sorgen . ‹ Bedenke doch, was er unternommen hat — was sie alle drei unternommen haben -, um das möglich zu machen.«
»Ich kann das alles nicht so einfach
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