Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
er konnte nichts dagegen tun. Männer hatten ihn angegriffen, er wollte zurückschlagen.
Auch nach Graff hatte er zurückschlagen wollen. Er hatte ihn beim richtigen Namen nennen wollen: Monstrum, Lügner... Nazi .
Das Telefon klingelte. Er fuhr herum, als hätte er ein Alarmsignal gehört, das einen weiteren Angriff anmeldete. Er packte mit der linken Hand sein rechtes Handgelenk, um das Zittern zu beherrschen, und ging schnell zu dem niedrigen Tisch neben dem Bett, auf dem der Apparat stand.
»Senhor Holcroft?«
Das war nicht der Mann aus der Botschaft. Der Akzent war südamerikanisch.
»Was ist denn?«
»Ich muß Sie sprechen. Es ist sehr wichtig, daß ich Sie sofort sprechen kann.«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Cararra. Ich bin in Ihrer Hotelhalle.«
» Cararra? Eine Frau namens Cararra hat mich gestern angerufen. «
»Meine Schwester. Wir sind jetzt zusammen. Wir beide müssen Sie jetzt sprechen. Dürfen wir in Ihr Zimmer kommen? «
» Nein ! Ich will niemanden sehen!« Das Peitschen der Schüsse, die Explosionen von Beton und Glas — sie waren noch zu scharf in sein Bewußtsein eingegraben. Er würde nicht noch einmal eine Zielscheibe abgeben.
»Senhor. Sie müssen !«
» Nein! Lassen Sie mich in Ruhe, oder ich rufe die Polizei.«
»Die kann Ihnen nicht helfen. Nur wir. Wir möchten Ihnen helfen. Sie suchen Informationen über die von Tiebolts. Wir haben Informationen.«
Noels Atem stockte. Sein Blick wanderte zur Sprechmuschel. Das war eine Falle. Der Mann am anderen Ende der Leitung versuchte, ihn in die Falle zu locken. Aber weshalb kündigte er dann die Falle an?
»Wer hat Sie geschickt? Wer hat Ihnen gesagt, daß Sie mich anrufen sollen? War es Graff?«
»Maurice Graff spricht nicht mit Leuten wie uns. Meine Schwester und ich sind ihm widerwärtig, nicht einmal wert, daß er uns verachtet.«
Sie sind widerwärtig! Graff verachtete den größten Teil der Welt, dachte Holcroft. Er atmete wieder und versuchte, ruhig zu sprechen. »Ich habe Sie gefragt, wer Sie zu mir geschickt hat. Woher wissen Sie denn, daß ich mich für die von Tiebolts interessiere?«
»Wir haben Freunde in der Einwanderungsbehörde. Kleine Angestellte, keine wichtigen Leute. Aber die hören zu, sie beobachten. Das werden Sie verstehen, wenn wir sprechen.« Plötzlich beschleunigten sich die Worte des Brasilianers; sein Akzent verstärkte sich, das konnte nicht einstudiert sein.
» Bitte , Senhor. Sie müssen uns empfangen. Wir haben Informationen, Informationen, die Sie haben müssen. Wir wollen Ihnen helfen. Indem wir Ihnen helfen, helfen wir uns selbst. «
Noels Gedanken rasten fieberhaft. Die Halle des Pôrto Allegre war stets überfüllt, und in der alten Weisheit, daß die Menge einen Schutz bot, lag eine gewisse Wahrheit. Wenn Cararra und seine Schwester wirklich etwas über die von Tiebolts wußten, mußte er sie sehen. Aber nicht allein, nicht in seinem Zimmer. Er antwortete ganz langsam.
»Stellen Sie sich an die Rezeption, wenigstens drei Meter davor, beide Hände aus den Taschen. Ihre Schwester soll sich links von Ihnen hinstellen und die rechte Hand auf Ihren Arm legen. Ich komme gleich hinunter, aber nicht mit dem Lift. Und Sie werden mich nicht zuerst sehen. Ich werde Sie sehen.«
Er legte auf und staunte über sich selbst. Er begann, seine Lektionen zu lernen. Für Geheimdienstleute waren dies ohne Zweifel Grundregeln, aber für ihn waren sie neu. Cararra würde nicht die Hand an einer Waffe haben, die er in der Tasche hielt. Seine Schwester — oder wer auch sonst sie sein mochte — würde nicht in die Handtasche greifen können, ohne daß er das bemerkte. Sie würden auf das Treppenhaus achten und nicht auf den Lift, den er natürlich benutzen würde. Und er würde sie gleich erkennen.
Er verließ die Liftkabine in einer Gruppe von Touristen. Einen Augenblick lang hielt er sich in ihrer Mitte, als gehörte er dazu, und sah sich den Mann und die Frau an der Rezeption an. So wie er es verlangt hatte, hatte Cararra seine Hände an den Seiten, und seine Schwester hielt sich mit der rechten Hand am Arm ihres Bruders fest, als hätte sie Angst, von ihm losgerissen zu werden. Und er war ihr Bruder; ihre Gesichtszüge wiesen eine deutliche Ähnlichkeit auf. Cararra war vielleicht Anfang der Dreißig, seine Schwester einige Jahre jünger. Beide dunkel — Haut, Haare, Augen. Sie sahen nicht besonders eindrucksvoll aus; sie waren ordentlich, aber billig gekleidet. Zwischen den Pelzen und
Weitere Kostenlose Bücher