Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
schätzte er die Fahrzeit auf drei, dreieinhalb Stunden. Es war jetzt zwanzig Minuten vor vier.
»Den nehme ich«, sagte Noel. »Da bin ich gerade zur richtigen Zeit in Marseille. «
»Pardon, Monsieur, aber es gibt Flüge mit weniger Zwischenlandungen. «
»Man holt mich am Flughafen ab. Es bringt mir nichts, wenn ich zu früh komme.«
»Wie Sie wünschen, Monsieur. Ich schau nach, ob noch ein Platz frei ist. Die Maschine startet in zwölf Minuten.«
Fünf Minuten später stand Holcroft am Abflug, die Herald Tribune vor sich aufgeschlagen. Er blickte über die Zeitung hinweg. Einer der zwei ernst blickenden Briten sprach mit der jungen Dame, die ihm sein Ticket verkauft hatte.
Fünfzehn Minuten später befand sich die Maschine in der Luft. Noel ging zweimal den Mittelgang zur Toilette zurück und musterte die Passagiere in der Kabine.
Keiner der beiden Männer war an Bord, und auch sonst schien sich niemand für ihn zu interessieren.
In Le Mans wartete er, bis die aussteigenden Passagiere das Flugzeug verlassen hatten. Er zählte; es waren sieben. Dann kamen die Zusteiger an Bord.
Er riß seinen Koffer aus dem Gepäckfach, ging mit schnellen Schritten zum Ausgang und die Metalltreppe hinunter aufs Flugfeld. Im Flughafengebäude blieb er am Fenster stehen.
Niemand kam aus der Maschine; niemand folgte ihm.
Seine Uhr zeigte siebzehn Minuten vor fünf. Er überlegte, ob noch Zeit war, Helden von Tiebolt anzurufen. Wieder hatte er das Wesentliche von dem, was er brauchte - einen Namen und einen Arbeitsplatz. Er ging zum nächsten Telefon und dankte im stillen Willie für die Franc-Noten und die Münzen.
In seinem primitiven Französisch sagte er der Vermittlung: »S’il vous plaît, le numero de Gallimard a Paris...«
Sie war da. Mademoiselle Tennyson hatte kein Telefon am Schreibtisch, aber wenn er einen Augenblick warten wolle, werde jemand sie an den Apparat holen. Die Frau in der
Zentrale von Gallimard sprach besser Englisch als die meisten Texaner.
Helden von Tiebolts Stimme wies dieselbe seltsame Mischung von portugiesischem und deutschem Tonfall wie die ihrer Schwester auf, aber bei weitem nicht so ausgeprägt. Auch eine Andeutung des traumartigen Halls war da, an den sich Noel so deutlich in Gretchens Redeweise erinnerte, aber nicht das eigenartige Stocken. Helden von Tiebolt-Mademoiselle Tennyson - wußte, was sie sagen wollte, und sagte es.
»Warum sollte ich mich mit Ihnen treffen? Ich kenne Sie nicht, Mr. Holcroft.«
»Es ist sehr dringend. Bitte, glauben Sie mir. «
»In meinem Leben hat es schon viel zuviel Dinge gegeben, die dringend waren. Ich bin dieser Dinge ziemlich überdrüssig. «
»Aber so etwas hat es noch nicht gegeben.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Leute... Leute, die Sie nicht kennen, in England, sagten mir, wo Sie arbeiten, aber auch, daß Sie nicht unter der Adresse leben, die Sie im Verlag angegeben haben. Also mußte ich Sie dort anrufen. «
»Die sind so interessiert an mir, daß sie Nachforschungen nach meiner Wohnung anstellten?«
»Ja. Das gehört auch zu dem, was ich Ihnen sagen muß.«
»Warum interessieren die sich so für mich?«
»Das sage ich Ihnen, wenn ich Sie sehe. Ich muß es Ihnen sagen.«
»Sagen Sie es mir jetzt.«
»Nicht am Telefon.«
Eine kleine Pause trat ein. Als die junge Frau dann wieder sprach, kamen ihre Worte abgehackt, präzise... und verängstigt. »Weshalb genau wollen Sie mich sprechen? Was kann es so Dringendes zwischen Ihnen und mir geben?«
»Es betrifft Ihre Familie. Unsere beiden Familien. Ich habe mich mit Ihrer Schwester getroffen. Ich habe versucht, Ihren Bruder ausfindig zu machen -«
»Ich habe seit über einem Jahr weder mit meiner Schwester noch mit meinem Bruder gesprochen«, unterbrach Helden Tennyson. »Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Das, worüber wir sprechen müssen, reicht über dreißig Jahre zurück.«
»Nein!«
»Es geht um Geld, sehr viel Geld.«
»Ich habe, was ich brauche. Meine Bedürfnisse sind -«
»Nicht nur für Sie«, drängte Noel und schnitt ihr das Wort ab. »Für Tausende. Überall.«
Wieder eine Pause. Als sie diesmal weitersprach, war ihre Stimme weich. »Geht es um Ereignisse... um Leute ... reicht das bis zum Krieg zurück?«
»ja. Hatte er es endlich geschafft, ihr Interesse zu wecken?
»Wir werden uns treffen«, sagte Helden.
»Können wir es so einrichten, daß wir... daß wir -« Er wußte nicht, wie er es formulieren sollte, ohne ihr Angst zu machen.
»Daß
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