Der Hollywood-Mord
Die Begräbniszeremonie war von einem Oscar-Regisseur choreographisch inszeniert worden.
Zur Unterstützung der berühmtesten Beerdigungsgäste der Filmmetropole hatte der phantasievolle Choreograph bei der amerikanischen Schauspielergewerkschaft SAG noch drei »Leidtragende vom Dienst« angemietet, zwei Frauen und einen Mann, deren Spezialität es war, auf Kommando das Wasserwerk anzustellen.
Berühmte Trauergäste aus aller Welt waren eingeflogen. Nigel St. Claire war überaus beliebt gewesen, er hatte bei allen Wohltätigkeitsveranstaltungen der Filmgemeinde immer in vorderster Front gestanden. Persönlich hatte er das höchst beliebte und bekannte Beverly-Hills-Bankett »Gegen den Hunger in der Welt« organisiert und unterstützt, das Gedeck zu 2000 Dollar. Zwei in Hermelin gehüllte Starlets hatten den echten schwarzen Kaviar in einer Schubkarre zur Party gerollt. Der sowjetische Konsul hatte ein Laudatio-Telegramm geschickt, in dem er zu Ehren des Organisators mitteilte, wie mühsam und langwierig heute so ein Kaviareinkauf sei, nachdem dieses Gaunervolk während des Afghanistan-Zwischenfalls die Wodkakisten einfach kurz und klein geschlagen hätten.
Nigel St. Claire war außerdem noch die treibende Kraft zur Gründung des Fonds zur Erhaltung der künstlerischen Freiheit gewesen, ganz zu schweigen von den zahllosen Rettet-die-Delphine-Partys. Einmal hatte er auf seinem Drei-Morgen-Landsitz in Bel Air sogar zwei Partys gleichzeitig laufen, auf denen Jacques-Cousteau-Filme und andere berühmte Werke, die von politisch aktiven Bürgern finanziert worden waren, gezeigt wurden. Das war schon ein Mordsspaß gewesen, Kokain zu schnupfen und Jacques Cousteau zuzugucken, wie er links auf der Leinwand gerade auf etwas zeigte, was das Publikum veranlaßte, die Köpfe zur anderen Leinwand zu drehen, wo er Linda Lovelace mit ihrem näselnden Gezwitscher zuzuschauen schien, die ihre Beißerchen gerade in eine Acht-Zoll-Salami schlug, dies in dem berühmtesten und kommerziell erfolgreichsten Werk der Erhaltet-die-künstlerische-Freiheit-Serie, gefördert von Nigel St. Claire.
Seine Referenzen waren wirklich tadellos. Zwischen Malibu und St. Moritz tuschelte man über seine Talente nur hinter vorgehaltener Hand, wenn man beim Schein der Kerzen Quaaludes und Perrier schlürfte. Es war einfach unfaßbar, daß irgend jemand einen derart anständigen Menschen umbringen konnte. War er nicht ein Mann der Nächstenliebe gewesen? Immerhin hatte er als erster öffentlich Straferlaß für einen anderen wahrhaft erfolgreichen Studioboß gefordert, der von einem enttäuschten Neidhammel beschuldigt worden war, Studiogelder unterschlagen zu haben. Alles, was das Büro des Bezirksstaatsanwalts nachweisen konnte, war, daß er weniger als 100.000 Dollar gestohlen hatte. Trotzdem war er gefeuert worden! Die Leute vom Busineß waren schockiert. Wütend vor Zorn. Anzeigen wurden in den Verleihzeitungen aufgegeben, um ihrem Zorn Luft zu machen. Es war wirklich höchst abscheulich, daß das Gesetz einen Kumpel wie ihn wegen hundert lausiger Riesen verfolgte! Dieser ehrenwerte Mensch kam schließlich ohne Reservierung ins Le Bistro.
Hollywood schmiß Partys zu Ehren dieses Ex-Moguls. Und der ging noch öfter zu seinem Therapeuten, der seinerseits dem Richter hoch und heilig versprach, daß sein Patient in ein paar Monaten von seiner lästigen Abart der Kleptomanie geheilt sein würde. Kurz darauf gaben ihm alle sechs berühmten Restaurants Tische ohne Reservierung. Französische und italienische Meisterköche rissen sich um ihn und beschimpften sich gegenseitig als Froschfresser und Itaker. Jeder wollte ihn für sich haben. Sie scherten sich einen Dreck darum, ob er die verdammten silbernen Löffel geklaut hatte! Bald war er berühmter als Clint Eastwood. Er wurde mehr geliebt als der Dieb von Bagdad.
Er wurde Präsident der Weltproduktionen in einem noch größeren Studio als dem, das ihn gefeuert hatte. Ein Hollywoodmärchen war Wirklichkeit geworden. Der Stoff, aus dem man Filme macht. Die Filmkolonie berauschte sich geradezu in seiner Gegenwart. Er wurde von Männern und Frauen voller Mitgefühl geherzt und geküßt.
Genaugenommen hatte Nigel St. Claire die ganze Sache schon an dem Tage anlaufen lassen, als der fehlgeleitete Mogul auf dem Sunset Boulevard sehr rüde aus seinem Rolls-Royce gerissen wurde. Und zwar von niemand anders als Buckmore Phipps, dem Straßenmonster, der von einer Freundin aus dem Staatsanwaltsbüro gehört hatte,
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