Der Hollywood-Mord
mal Hot dogs und Erdnüsse im Dodger-Stadion gekauft habe, für zwei Teenager, die einen Appetit wie die Scheunendrescher entwickelten?
Al Mackey legte seine Unterhaltsprobleme erst mal beiseite, als er vor dem Tor des berühmten Studios bremste. Während er seine Polizeimarke vorzeigte und sich beim Portier eintrug, studierte Martin Welborn die Fotos in der Fallakte. Er war sofort gegen die Vermutung von Schultz und Simon gewesen, Nigel St. Claire sei zuerst in die Schläfe und dann in die Stirn geschossen worden.
»Schau dir mal dieses Zellengitter bei der Puppe an, Marty«, sagte Al Mackey, als sie an einer dahinstürmenden Statistin in der nachgemachten Wildlederriementracht einer indianischen Squaw vorbeifuhren. Sie rannte auf eine gigantische Tonbühne mit der Aufschrift Bühne 2 zu. Al Mackey war sehr enttäuscht, daß sie an der nächsten Straßenecke links abbog, während er nach rechts mußte, um zu dem überraschend bescheidenen dreistöckigen Gebäude zu kommen, in dem die wahrhaft erfolgreichen Mogule residierten. Insgeheim hatte Al Mackey auf der Rückseite des Ateliergeländes so was wie einen Playboy-Landsitz erwartet.
»Ich glaub, er wurde zuerst in die Stirn getroffen«, sagte Martin Welborn, als Al Mackey anhielt, um eine Parade von Statisten in pennsylvanischen Polizeiuniformen durchzulassen.
»Verstärkungen«, bemerkte Al Mackey, aber Martin Welborn blickte noch nicht mal hoch.
»Guck mal hier, mein Junge«, sagte Martin Welborn. Von irgendwoher kriegte er immer wieder neue Impulse. Es war lange her, daß Polizeiermittlungen Al Mackey erregt hatten. Es war lange her, daß überhaupt etwas Al Mackey erregt hatte.
Martin Welborn hielt Al Mackey ein Leichenfoto von Nigel St. Claire vor die müden Augen. Die Leiche grinste ihn mit gebrochenem Unterkiefer an. Das Blut war noch nicht weggewischt worden und überzog seine Stirn wie scharlachrote Filigranspitze. Die Augen waren geöffnet und starr. Die panische Angst bei seinem Tod stand noch in seinem Gesicht.
»Ich glaub, der hat gesehen, was auf ihn zukam, Aloysius, mein Junge.«
»Und ich glaub, ich seh, was auf uns zukommt«, sagte Al Mackey und musterte einen gutgebauten Karottenkopf in eleganten französischen Jeans und grünem, hautengem Top, der langsam auf eine Tür mit der Aufschrift »Besetzungsbüro« zuschlenderte. Vielleicht konnte er einen Job als Studio-Cop ergattern, wenn er sich vom Dienst zurückzog? Vielleicht sollte er mal eine Bewerbung einreichen. In diesem Augenblick tauchte noch eine kastanienbraune Schönheit auf, glitt wie ein Leopard an dem Auto vorbei, lächelte die leichenblassen Detectives an und bewegte sich langsam auf dieselbe Tür zu. Vielleicht sollte er schon heute seine Bewerbung als Studio-Cop einreichen. Egal, was sie bezahlten!
Das Innere des Gebäudes war etwas weniger enttäuschend als das Äußere. Zumindest waren die Wände mit Filmposters übersät – einige alt, barock und reich verziert, andere sehr lebendig, ins Auge fallend und neu. Poster der berühmten Filme, die das Studio seit drei Generationen verliehen hatte. Einige hatten Ähnlichkeit mit verstorbenen Filmstars, die Al Mackey schon fast vergessen hatte. Andere zeigten Leinwandstars von heute. Genaugenommen sah es hier genauso aus wie in den Gemeinschaftsbüros einer weitverzweigten Fabrikantenfamilie. Dieses Studio war nur ein Bein des Unternehmens, wenn auch sicherlich sein reizvollstes.
Ein anderer Studiowachmann dirigierte sie in den zweiten Stock (es gab nicht mal einen Aufzug. Was sollte der Quatsch? Schließlich haben sogar Polizeistationen Aufzüge!) zum Sitz der Macht, den Büros des verblichenen Nigel St. Claire, Junggeselle und Bonvivant, Präsident der Filmabteilung. Sein Name war bereits aus dem Büroverzeichnis im Glaskasten am Treppenhaus entfernt worden. Am Ende der Woche würde es ihn auch nicht mehr im Briefkopf geben. Auf dem Parkplatz war sein Name schon sechsundzwanzig Stunden, nachdem sein ausgeweideter Leichnam vom Leichenschauhaus-Pathologen freigegeben und in eine Leichenhalle übergeführt worden war, übermalt worden. (Parkplätze sind in dieser Gegend gefragter als Miezen, hieß es.)
Nigel St. Claire kriegte ein Begräbnis erster Klasse. Seine Grabrede hatte ein Drehbuchautor geschrieben, der schon einen Oscar gewonnen hatte. Sie wurde von einer Oscar-Preisträgerin vorgetragen, einer Schauspielerin, ein brillanter Schachzug gegen die Beschwerden, Nigel St. Claires Studio habe zuwenig Frauenfilme gedreht.
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