Der Hollywood-Mord
Buckmore Phipps in die Polizeilegende eingehen ließ. Obwohl jeder wußte, daß Gibson Hand ein noch weitaus größerer Lügner war als Buckmore Phipps, und daß sie beide selbst vor der dicksten Lüge nicht zurückschreckten, um in der Polizeilegende ganz groß herauszukommen, ging dann jedenfalls die Story um, daß, als Buckmore Phipps die beinamputierten, ausgebluteten Überreste der Stimmungskanone sah, er sich zum jungen Lagerarbeiter umdrehte, seine mindestens achtundzwanzig Pferdezähne entblößte und sagte: »He, Kleiner, wie wär's mit einem Tänzchen?«
Und dann, so jedenfalls Gibson Hand, soll Buckmore Phipps sich über den Müllcontainer gebeugt und den Alabastertorso herausgehoben haben. Er griff dem ausgebluteten Torso mit seinen schaufelgroßen Händen unter die Arme – der Kopf der Leiche hing runter, die verdickte Zunge war blau wie Buckmore Phipps Uniform –, und dann tanzte das riesige Straßenmonster im Scheinwerferlicht des Streifenwagens eine verrückte Yul-Brynner-Polka und sang dazu: »Kooooomm, tanz mit mir (du-du-du). Auf einer leuchtenden Wolke voll Musik fliegen wir davon (du-du-du) …«
Gibson Hand erzählte, daß sie beide, er und Buckmore Phipps, dabei einen derartigen Lachkrampf kriegten, daß sie die starre Leiche beinahe nicht in den Container hätten zurückpacken können. Aber der ohnmächtige Lagerbursche war zum Glück wieder bei Besinnung, ehe die ersten Detectives-Wagen auf dem einsamen Parkplatz vorfuhren.
Buckmore Phipps und Gibson Hand wurden schließlich gemeinsam zur Hollywood-Abteilung versetzt. Inzwischen tat keiner mehr etwas ohne den anderen. Sie waren sich so nahe, wie nur Verliebte es sein können. Tatsächlich waren sie wohl füreinander bestimmt.
Aber, wie so oft, mischte sich das Schicksal ein und durchkreuzte die blühende Zuneigung der beiden Straßenmonster. Gibson Hand kriegte seine langerwartete Berufung zum Überwachungsdezernat. Ihm kamen beinahe die Tränen, als er sich von Buckmore Phipps verabschiedete. Er schwor, daß er eines Tages zurückkäme. Er erklärte Buckmore Phipps, warum er sich die Chance, bei der Überwachung zu arbeiten, trotz allem einfach nicht entgehen lassen könnte. In keiner anderen Abteilung des Departments kriegte ein Mann so oft die Chance, Menschen zu töten, wie beim Dienst in der Überwachung. Buckmore Phipps versprach Gibson Hand, ihn niemals zu vergessen. Sie schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, und in jener Nacht kam es da draußen auf dem Parkplatz der Hollywood-Station um ein Haar zu einer unmännlichen Szene.
Gibson Hand trat seinen Dienst bei der Überwachung an, bekam gleich einen heißen Auftrag und sollte schon in seiner ersten Woche dort einige Leute überführen. Sie hatten ihn in einen großen Spirituosenladen auf dem Olympic Boulevard verfrachtet. Die Oreo-Banditen erregten zu jener Zeit gerade eine Menge Aufsehen. Wenn sie in einer weißen Gegend zuschlugen, saß für gewöhnlich der weiße Bandit am Steuer, und sein schwarzer Kumpel hielt sich dann auf dem Boden des Autos versteckt. Umgekehrt lief's dann in einem schwarzen Viertel. Die Schnapsläden im Getto brachten wesentlich mehr Beute, aber das Risiko war dort auch größer, weil die Besitzer gewöhnlich sehr viel besser bewaffnet waren.
Gibson Hand saß ganz allein hinter einem einseitig durchsichtigen venezianischen Spiegel in dem Hinterzimmer des Ladens und guckte sich im Fernsehen Days of Our Lives (Tage unseres Lebens) an. Die Tür stand einen Spalt offen, als er plötzlich hörte: »Hände hoch und alle an die Wand, Arschlöcher!«
Himmel Herrgott, die sagten auch alle dasselbe! Er drehte den Fernseher leiser, griff nach dem Ithaca-Schrotgewehr und entsicherte es mit Daumen und Zeigefinger, um auch das leiseste Klicken zu vermeiden.
Der weiße Gangster trug eine Schweinchen-Dick-Maske aus Gummi, die den ganzen Kopf bedeckte. Er trug auch graue Baumwollarbeitshandschuhe. Die Maske war ihm zu groß. Bei jedem Atemzug wurde sie an sein Gesicht gesaugt und wieder weggepustet. Er hielt eine alte US-Army-Automatic in der rechten Hand und fuchtelte den beiden versteinerten Verkäufern damit vor den Gesichtern rum.
Gibson Hand wußte, daß der Beobachtungsposten draußen jetzt allmählich hereinkommen mußte. Er wartete darauf, daß der Gangster sich die Beute holte. Los, ran ans Eingemachte, Bleichgesicht! Hör endlich auf, mit der alten Knarre da so rumzufuchteln. Ran an die Mäuse, Junge. Schnapp dir die Kohlen.
Gibson Hand
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