Der Hollywood-Mord
nicht mehr als zweihundert Dollar gezahlt. Er hatte ihnen seine Tätowierungen gezeigt. Die Jungfrau von Guadeloupe auf der Innenseite eines Arms, das Heilige Herz Jesu auf dem anderen. Beide waren überdeckt durch altes und neues Narbengewebe von seinen tausend Injektionen. Er sagte, er habe sich dazu entschlossen, bezahlter Informant zu werden, damit er genug Geld für Hautverpflanzungen zusammenkriegen würde. Er war konvertiert und jetzt ein Zeuge Jehovas, und die Tätowierungen gefielen ihm nicht mehr. Al Mackey hatte beschlossen, ihn mit FBI-Agenten zusammenzubringen, wenn er mal mit einem wirklich großen Dealer überkommen würde, den er verpfeifen könnte, um endlich das Geld für die Hautverpflanzungen zusammenzukriegen. Aber Elliott Robles kam nie mit einer wirklich großen Sache über. Sogar sein Tod war eine äußerst kleine Sache, und Al Mackey wußte nicht, wie er es Martin Welborn erzählen sollte.
Nachdem Elliott Robles ihnen den Schützen bei der Schießerei einer motorisierten Bande verpfiffen hatte, die ihr Viertel kontrollierte, hatte Martin Welborn den Killer verhört, einen gewissen Chuey Verdugo, während Al Mackey das 22er-Gewehr kassierte, das der junge Mann benutzt hatte, um einen sechzehnjährigen Zeitungsjungen niederzuschießen, der zufällig während der Bandenkriegszeit im falschen Revier die erste Morgenausgabe ausgetragen hatte. (Jedes Blut stellt die Ehre wieder her, wenn es nur an der richtigen Stelle vergossen wird.) Elliott Robles hatte in seinem Eifer, ein bißchen Geld für die Überführung des Schützen zu verdienen, alles ausgepackt, was er über ihn wußte und sogar, was er gehört hatte, immer in der Hoffnung, die Cops wenigstens auf eine Belohnung von hundert Dollar hochtreiben zu können. Unter anderem erzählte er Martin Welborn, daß der Schütze wegen eines Mordes mit anschließender Fahrerflucht gesucht würde, wo er irgendeinen Lackaffen überfahren hätte, der vorher seine Freundin vergewaltigt hatte.
Und Martin Welborn, vielleicht weil es die Woche vor Paulas Auszug war, vielleicht weil sie wegen der Straßenschießerei zweiundvierzig Stunden ohne Schlaf gearbeitet hatten, vielleicht weil er einfach in der Vernehmung leichtsinnig war, Martin Welborn hatte einen äußerst riskanten Bluff gestartet und zu dem Schützen gesagt: »Nun wollen wir mal reden über den Kerl, den du in Tucson niedergemacht hast. Wußtest du, daß die Cops da Informationen über dich haben?«
Und der Schütze sah ihn einen Moment lang ziemlich komisch an. Und nahm seine schwarze Wollkappe, wischte sich mit ihr den Schweiß aus dem Gesicht, zog sehr tief an der Zigarette, die Martin Welborn ihm gegeben hatte, und fing an zu denken. Chuey Verdugo strich sich über den dünnen Ziegenbart und glättete den Fu-Manchu-Bart und ließ den Kopf sinken und begann zu zittern.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Martin Welborn begriff, daß er nicht vor Angst zitterte. Es war Lachen. Es fing an mit heftigem Atmen, daraus wurde ein Glucksen, und schließlich brach der junge Mann, der einen Zeitungsjungen gerade durch den Kopf geschossen hatte, weil einer zufällig auf der falschen Seite einer imaginären Linie durch East Hollywood gewesen war, in brüllendes Gelächter aus, und Al Mackey rannte in den Vernehmungsraum.
»Den Witz mußte mir unbedingt gleich erzählen, Marty«, sagte Al Mackey, »ist es der mit der Nutte und der Erdnuß?«
Martin Welborn zuckte die Achseln, und beide Detectives warteten, bis der Schütze sich wieder beruhigte, sich mit der Kappe die Tränen aus den Augen wischte und sagte: »Ich hab nie keinen niedergemacht in Tucson. Aber an einem Abend, als ich mit diesem Mexikaner geredet hab, dem mit dem komischen Namen Elliott, da hab ich dem erzählt, ich hätt son Lackaffen in Tucson niedergemacht. Der hatt 'n paar Joints im Billardraum rumgehen lassen und wollt 'n paar heiße Stories hören, also hab ich 'n paar erfunden.« Chuey Verdugo leckte sich über die Lippen und lachte abermals und sagte: »Jetzt weiß ich, wer euch erzählt hat, ich hätt den Zeitungsjungen umgelegt.«
Und mehrere Monate lang, immer, wenn das Thema hochkochte, hatte Al Mackey versucht, Martin Welborn klarzumachen, daß jeder mal während eines Verhörs einen Fehler machen konnte, und daß er, wenn er im Raum gewesen wäre, dasselbe gesagt hätte, und der Schütze gehe auf jeden Fall für lange Zeit in den Knast, und Elliott Robles sei ja gewarnt worden, daß Martin Welborn einen Fehler gemacht
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