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Der Horizont: Roman (German Edition)

Der Horizont: Roman (German Edition)

Titel: Der Horizont: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Modiano
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wartete sie lange, bevor sie von einem Blonden um die Fünfzig mit kleinen blauen Augen empfangen wurde. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und musterte sie eine Weile mit dem aufmerksamen und kalten Blick eines Rosshändlers. Sie stand verlegen da. Vielleicht würde dieser Typ gleich mit barscher Stimme sagen: Ziehen Sie sich aus. Doch er deutete auf den Ledersessel vor ihm.
    »Name und Vorname?«
    »Margaret Le Coz.«
    Normalerweise fragte man sie: In zwei Worten? Oder: Sind Sie Bretonin? Aber der Blonde schrieb ihren Namen kommentarlos auf eine Karteikarte.
    »Geboren in …?«
    Das war im allgemeinen der Moment, in dem sie Aufmerksamkeit erregte und Überraschung oder Neugier oder sogar Argwohn in den Blicken las. Wie gern wäre sie in Villeneuve-Saint-Georges geboren worden oder in Nevers …
    »Berlin-Reinickendorf.«
    »Könnten Sie mir das buchstabieren?«
    Er hatte nicht mit der Wimper gezuckt. Er schien das ganz normal zu finden. Sie buchstabierte »Reinickendorf«.
    »Sind Sie gebürtige Deutsche?«
    »Nein. Französin.«
    Ja, am besten war es, so zu antworten, kurz angebunden.
    »Ihr Wohnsitz?«
    »Hôtel Sévigné, Rue de Belloy Nr. 8.«
    »Sie wohnen im Hotel?«
    Ihr war, als werfe er ihr einen misstrauischen Blick zu. Sie bemühte sich, einen gleichgültigen Ton anzuschlagen:
    »Ja, aber das ist nur eine Übergangslösung.«
    Er füllte weiter langsam schreibend die Karteikarte aus.
    »Rue de Belloy, das ist doch im sechzehnten Arrondissement?«
    »Ja.«
    Sie fürchtete, er könnte sie fragen, wie sie ihre Hotelrechnung bezahle. Darum kümmerte sich Bagherian. Er hatte gesagt, sie könne so lange im Hôtel Sévigné bleiben, wie sie wolle, aber sie hatte es eilig, Arbeit zu finden, um nicht länger von ihm abhängig zu sein.
    »Haben Sie Referenzen?«
    Er hatte von seiner Karteikarte aufgeschaut und betrachtete sie wieder mit aufmerksamem Blick. Keine Bosheit in seinen Augen. Nur professionelle Kälte.
    »Ich meine: haben Sie schon als Hausangestellte gearbeitet?«
    »Ich war Gouvernante in der Schweiz.«
    Sie hatte diese Worte in barschem Ton gesagt, als wollte sie diesen blauäugigen Rosshändler herausfordern. Er nickte würdevoll.
    »In der Schweiz … Das ist eine gute Referenz … Waren Sie Gouvernante von mehreren Kindern?«
    »Zwei.«
    »Und können Sie mir den Namen Ihres Arbeitgebers nennen?«
    »Monsieur Bagherian.«
    Sie war überrascht, dass sie den Namen nicht buchstabieren sollte. Während er ihn auf die Karteikarte schrieb, nickte er immer weiter.
    »Wir hatten einen Monsieur Bagherian als Kunden, vor ein paar Jahren … Warten Sie mal … Ich will nachsehen …«
    Er drehte sich auf seinem Bürosessel um, stand auf und öffnete die Schublade eines Metallschranks, aus dem er schließlich eine Karteikarte zog.
    »Ja, genau … Monsieur Michel Bagherian … Rue La Pérouse Nr. 37 … Er hat sich zweimal an uns gewandt …«
    Er hatte ihr nie gesagt, dass er in Paris gewohnt hatte.
    »Ebenfalls wegen Gouvernanten …«
    Er betrachtete sie jetzt mit einer gewissen Achtung.
    »Und Monsieur Bagherian wohnt jetzt in der Schweiz?«
    Er versuchte vielleicht, ein Gespräch über die feine Gesellschaft anzuknüpfen, in der Art jener zwei alten Damen, denen sie eines Nachmittags mit halbem Ohr zugehört hatte, während sie und die Kinder in der Halle eines Hotels in Ouchy auf Bagherian warteten.
    »Ja, er wohnt in der Schweiz.«
    Sicher wollte er noch Genaueres erfahren. Doch sie schwieg.
    »Wir werden versuchen, einen Arbeitgeber von Monsieur Bagherians Niveau für Sie zu finden«, sagte er, während er sie zur Tür der Agentur begleitete. »Seien Sie so nett und schicken Sie mir ein Passbild, damit wir es auf die Karteikarte kleben können, und ein von Monsieur Bagherian ausgestelltes Zeugnis.«
    Als er die Tür aufmachte, wandte er sich zu ihr.
    »Haben Sie Geduld. Wir melden uns bei Ihnen.«
    Sie verließ das Viertel nicht oft. In den ersten Nächten fand sie nur schwer Schlaf. Gegen drei Uhr morgens dämmerte sie endlich ein. Um sieben wachte sie auf, ungeduldig, das Zimmer zu verlassen. Sie ging zur Place de l’Étoile Zeitungen holen, dann machte sie den umgekehrten Weg bis zum Café an der Ecke Rue La Pérouse. Hier las sie die Kleinanzeigen in der Rubrik »Stellenangebote«. Die letzten Worte, die ihr der Blonde von der Agentur Stewart gesagt hatte: »Haben Sie Geduld, wir melden uns bei Ihnen«, waren nicht ermutigend. Es war besser, sich nicht

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