Der Hort der Waechter
sie war gewaltig. Größer jedenfalls, als sie von unten den Anschein erweckte. Ein Teil erstreckte sich noch in die Flanke des Berges hinein, so daß dieser Bereich wie unter einem steinernen Himmel lag. Die Gebäude waren aus groben Felsblöcken errichtet und strahlten etwas Archaisches aus. Über dem gesamten Kloster hing eine Atmosphäre, der auch Landru sich nicht entziehen konnte. Obwohl die christliche Ausstrahlung Ekel und vagen Schmerz in ihm wachrief, verspürte er doch auch etwas wie Ehrfurcht - und richtige Furcht.
Etwas war an diesem Ort. Etwas ganz und gar - Böses .?
Landru erschrak, als er registrierte, was mit ihm geschah. Er schauderte! Er fröstelte, wie es sonst nur die Menschen taten, denen er gegenübertrat!
Landru versuchte zu ignorieren, was den Schauder ausgelöst hatte. Es gelang ihm leidlich. Mit seinen vampirischen Sinnen und zugleich mit Blicken forschend begann er die Suche.
Die Nähe fließenden Blutes war spürbar. Und da entdeckte er auch schon, woher sie rührte.
Ein Stück entfernt trat ein kuttengewandeter Mann aus einem Treppenüberbau auf die zinnengesäumte Klostermauer hinaus. Vielleicht ein Wächter, der vor etwaigen Eindringlingen warnen sollte »Zu spät, mein Bester«, knurrte Landru.
Kurz überlegte er, wie er sich seinem Opfer am sichersten nähern konnte. Auf dem Weg entlang der Zinnen gab es keine Deckung, so daß der andere ihn würde kommen sehen.
Also anders .
Wieder stieg ein flatternder Schemen in die Luft auf. Lautlos, weil nur vom Wind getragen und den Kurs mit sachten Bewegungen der Schwingen korrigierend, schlug er einen Bogen, an dessen Ende der Mönch stand.
Mit angelegten Flügeln stürzte Landru auf ihn nieder. Doch noch bevor er den Mann auch nur berührte, transformierte der Vampir. Schwer prallte er gegen den Mönch und stieß ihn in die Lücke zwischen zwei Zinnen. Sein Schrei ertrank in feuchtem Gurgeln, als Landru ihm die Zähne in den Hals schlug.
Der Vampir verzichtete darauf, ihn bis zur Neige auszusaufen. Als nur noch ein paar Tropfen durch sein Aderwerk rannen, ließ er ab von dem Mönch, packte seine Beine und warf ihn über die Mauer. So ersparte er sich die Mühe, ihm selbst den Hals brechen zu müssen .
Hitze glühte in Landrus Eingeweiden. Das Blut hatte in ganz besonderer Weise gemundet, obwohl doch nichts anderes als Angst es gewürzt haben konnte.
Der Hüter kam nicht dazu, länger darüber nachzudenken, was noch im Blut des Mönches gewesen sein könnte. Ein Schrei ließ ihn herumfahren!
»Da! Seht! Ein Fremder!«
»Er hat Bruder Heinrich ermordet!« rief ein anderer mit hartem Akzent in seinem Italienisch.
»Greift ihn!« fielen andere mit ein, und auch ihre Stimmen klangen in Landrus Ohren wie von unterschiedlicher Herkunft.
Unten im Hof des Klosters und zu beiden Seiten auf der Mauer entstand Bewegung. Mit wehenden Kutten stürmten Brüder unterschiedlichsten Alters in Landrus Richtung, etwa zehn an der Zahl.
»Es ist angerichtet«, zischte der Vampir voller Vorfreude. »Kommt nur, kommt zu mir.« Wenn das Blut all dieser Mönche so herrlich schmeckte und vor allem kräftigte, stand ihm ein wahrer Festschmaus bevor .
»Bin schon da, verdammter Mörder!«
Landru kreiselte erschrocken herum.
Der Bruder, der plötzlich an seiner Seite stand, war nicht wie aus dem Nichts aufgetaucht - er war aus dem Nichts aufgetaucht!
Der Hüter übersprang die Schrecksekunde und schlug ansatzlos zu.
Ins Leere. Denn der silberbärtige Kuttenträger stand nicht mehr dort, wo er eben noch gewesen war!
Dafür spürte Landru seine Hand an der Schulter. Der Mönch riß ihn herum, wich auch dem nächsten Hieb des Vampirs wie fortgezaubert aus und versetzte ihm dann von einer anderen Seite her einen Stoß, der ihn haltlos nach vorn taumeln ließ.
Landrus Fuß trat ins Bodenlose; er stürzte. Schwer schlug er auf dem Fels des Innenhofs auf.
»Jetzt reicht es«, knurrte er eher unwillig denn wirklich wütend -und zeigte seinerseits, was schon wieder in ihm steckte!
Das Blut jener Brüder, die ihn fast schon erreicht hatten, färbte den Fels als erstes .
*
Mit steinerner Miene beobachtete Salvat, was tief unterhalb der Felsgalerie, an deren Brüstung er stand, vor sich ging.
Eine Schlacht tobte dort, Mann gegen Mann. Aber es floß kein Blut.
Waffen prallten aufeinander, wie sie nie ein Mensch außerhalb Monte Carganos gesehen hatte. Denn sie waren hier konstruiert und gefertigt worden und nur für denjenigen bestimmt, für den sie
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