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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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kraftlos zurücksanken. Um nicht die alten Schwiegereltern in dem Zimmer über sich und den Kleinen in der Wiege neben ihrem Bett zu wecken, schrie Lina nicht mehr, wenn Arturos Zunge gierig ihre Brustwarzen erforschte, obwohl es ihr jedes Mal auf den Lippen lag; und auch nicht, wenn sie sich gemeinsam bewegten, sich aneinander rieben mit verzweifelter Glut, Haut an Haut, und der Schauer des Orgasmus sie wie Vulkane erzittern ließ. Sie hatten junge und feurige Körper, eine Nacht pro Woche war ihnen zu wenig. In diesen Momenten konnte Lina es nicht erwarten, dass seine Anstellung nahe der Punta Alice endete, doch am nächsten Tag, bei klarem Verstand und nachdem sie ihren Mann mit einem Kuss verabschiedet hatte, betete sie zum heiligen Antonius, dass ihm diese Arbeit erhalten bliebe.

5
    Eines Tages im März, als das Decauville-Bähnchen an der morastigen Fläche wartete, zogen die Verladearbeiter an den Güterwaggons eine große Anzahl Terrakottascherben aus der lockeren Erde, Bronzestatuen, rostige Münzen. Überrascht sahen sie sich an, und ohne ihrem Vorarbeiter Giuseppe Parrilla ein Wort zu sagen, teilten sie die Funde unter sich auf und füllten ihre Brotbeutel mit den schönsten Objekten.
    An jenem Samstag brachte Arturo dem kleinen Michelangelo Geschenke mit, eine Bronzefigur, ein Terrakottapferdchen, ein Gefäß in Form eines Kreisels. Seiner Frau überreichte er einen Silberring, der glänzte wie neu und genau passte; seinen Eltern eine schiffchenförmige Öllampe. Für sich behielt er eine Silbermünze mit eingeprägtem Dreifuß: »Das wird mein Glücksbringer«, sagte er und zeigte sie seiner Familie.
    Vielleicht hatte keiner der Arbeiter die Bedeutung der Funde erkannt, für sie war es Antikplunder von geringem oder keinem Wert, wie das Zeug, das sie manchmal beim Umgraben auf den Feldern fanden. Als aber ein großer marmorner Männerkopf und Marmorfüße im Erdreich auftauchten, dazu Ziegel und riesige hellgelbe, nach allen Regeln der Kunst zu Quadern gehauene Tuffsteinblöcke, Kapitelle und ganze Säulentrommeln, benachrichtigten Arturo, Giuseppe Parrilla und zwei weitere Arbeiter des Trupps Ingenieur Di Lorenzo. Von da an wurde fast das ganze aufgefundeneMaterial im Schloss der Familie Sabatini verwahrt, der das Land gehörte.
    Offiziell wurden die Trockenlegungsarbeiten von der Baubehörde in Catanzaro Mitte April 1923 ausgesetzt, nach Absprache mit dem Denkmalpfleger Paolo Orsi. In Wirklichkeit machten die Arbeiter weiter, als sei jeder Tag der letzte, in Erwartung des endgültigen Aus.
    Arturo war nervös und schlechter Laune. Zum Glück sorgte seine Frau gegen Ende des Sommers dafür, dass er selig lächelte. Eines Nachts verkündete sie ihrem Mann, nachdem sie mühsam den Schrei ihres wöchentlichen Orgasmus unterdrückt hatte und zärtlich an seinem Ohr knabberte: »Ich bin wieder schwanger.«
    Nach Michelangelos Geburt hatte sie zwei Fehlgeburten erlitten, weil sie nach Ansicht der Nachbarinnen nicht auf sich aufpasste, sondern wie ein Mann an ihres Gatten statt auf den Feldern schuftete und im Haushalt zupackte, wohl vergessend, dass sie ein Mensch war und kein Maultier, die dumme Lina. »Nächstes Mal werde ich besser achtgeben«, hatte sie sich und den anderen nach der ersten Fehlgeburt geschworen. Doch dann war es wieder passiert, einhergehend mit dem kraftraubenden Verlust ihrer Mutter, die dünner und dünner geworden war wie ein zartes Schwälbchen, die Höllenqualen gelitten hatte und mit ihr die schwangere Tochter, jeden Tag den Schatten des Todes am Bett, arme Mama, bis der Himmel sie schließlich aufnahm mit dem ungeborenen Kind in den Armen.
    In dieser Nacht jedoch, bevor sie befriedigt einschlief, betete Lina still zum heiligen Antonius, dass er ihr helfen möge, die neue Schwangerschaft zu einem glücklichen Ende zu bringen. Arturo hingegen lag den größten Teil der Nachtwach. Er hatte die Silbermünze vom Nachttisch genommen und hielt sie fest in der geschlossenen Faust.
    Am nächsten Tag kehrte er mit einem Lächeln zur Punta Alice zurück. Und als die Kumpels ihn fragten: »Was bist du denn plötzlich so guter Dinge, compare Arturì?«, erwiderte er selbstsicher: »Der Wind hat sich gedreht, endlich. Ihr werdet es sehen.«
    Seine Prognose erwies sich als richtig: Sie setzten die Entwässerungsarbeiten ungestört acht Monate lang gegen gute Bezahlung fort und hätten weiter unbeirrt die Ausgrabungsstätte geschädigt, wäre nicht eines Tages Paolo Orsi höchstpersönlich

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