Der Hügel des Windes
eingeschritten.
»Ja, ich bestätige: Dieses Fundament ist Teil des Sanktuariums des Apollon Alaios. Die anderen Ruinen dort hinten gehörten sicherlich zu den Priesterhäusern«, lauteten die ersten Worte, die Professor Orsi am Morgen des 3. Mai 1924 äußerte, als er an der Fundstelle eintraf. Um ihn herum eine Gruppe von Männern, die gierig an seinen Lippen hingen: der Zeichner Rosario Carta, ein junger römischer Archäologe und ein deutscher, dazu der Restaurator Giuseppe D’Amico, drei oder vier vornehme Herren aus Cirò und die Besitzer des Landes, Giuseppe und Francesco Sabatini, Vater und Sohn, die Einzigen, die Arturo vom Sehen oder Hören kannte. Wenige Schritte von ihnen entfernt wartete ein Pulk Arbeiter ungeduldig auf Anweisungen.
»Leider sind der Tempel und vor allem die Häuser in einem erbärmlichen Zustand ...«, sagte Rosario Carta, der die Ausgrabungen an Orsis Stelle schon vom 24. April an geleitet hatte.
»Allerdings: sie sehen aus wie ein Stein- oder Ziegelbruch«,kommentierte der Professor mürrisch. »Ganz sicher ist es hier zu Plünderungen gekommen, in den vergangenen Jahrhunderten und auch in unseren Tagen.«
Fast sah es so aus, als wolle er gleich wieder gehen, enttäuscht, wie er war. Stattdessen begann er jeden Winkel der Ruinen zu durchforsten, neue Grabungen zu organisieren und wies jedem seiner Mitarbeiter eine präzise Aufgabe zu. Mit seiner beängstigend tiefen Stimme erteilte er Anweisungen, strahlte dabei aber eine fast greifbare Energie aus, die von Stunde zu Stunde anwuchs. Nur eine Sache konnte er nicht verwinden, und er kam immer wieder auf sie zurück: »Als ich am Vorabend des Krieges dieses Gebiet erforscht habe, war ich überzeugt, der Tempel müsse unter einem der Hügel hier verborgen liegen, vielleicht unter dem roten da direkt vor uns«, er wies mit ausgestrecktem Arm auf den Rossarco. »Niemals hätte ich gedacht, dass ein griechischer Tempel aus einer solchen Sumpflandschaft auftauchen würde, noch dazu quasi auf Meeresniveau. Tempel in Meeresnähe wurden stets auf einer Anhöhe errichtet, von der aus sie die Küste dominierten und von Seefahrern bereits aus der Ferne gesehen werden konnten.«
Die anderen lächelten, ehrerbietig und eingeschüchtert von seinem Wissen. Paolo Orsi seufzte: »Dieses Heiligtum stellt eine Ausnahme dar, deswegen habe ich mich in die Irre führen lassen. Ich muss gestehen, dass ich mich getäuscht habe und mein illustrer Freund, Luigi Siciliani, ein intimer Kenner volkstümlicher Überlieferungen, recht behalten hat. Er war es, der mir das erste Telegramm und dann einen alarmierten Brief schrieb und mich um Hilfe bat, und ich bereue es nicht, gekommen zu sein.«
»Daran habt Ihr recht getan«, bestätigte Giuseppe Sabatini.»Ich bin mir sicher, dass Ihr noch herausfinden werdet, wo genau Krimisa lag ...«
»Eins nach dem anderen«, schloss der Professor. »Krimisa ist eine eigene Grabung wert, auch wenn ich nicht ausschließen möchte, dass dieses Unternehmen hier den ein oder anderen exakteren Hinweis hervorbringen könnte.«
Arturo hatte Paolo Orsi besorgt gelauscht, überzeugt, dass die Entwässerungsarbeiten unterbrochen und er entlassen würde. Doch der Professor übernahm viele Arbeiter für die Ausgrabungen, und für sich selbst suchte er dazu noch eine kleine Gruppe aus, die er den »intelligenten Arbeitstrupp« nannte. Sie sollten ihm bei den Erkundungen und schwierigeren Aufgaben zur Hand gehen. Arturo wurde nicht dafür ausgewählt, was er übelnahm, und so hielt er den Professor, von dem doch der Vater so viel Gutes erzählt hatte, für arrogant, und verstieß ihn sofort aus seinem Herzen.
Im Übrigen kam er mit jedem Tag mehr zu der Überzeugung, dass die Ausgrabungen verlorene Liebesmüh waren. Paolo Orsi verlangte sogar, dass die Arbeiter Hunderte Kubikmeter Sand, mit denen sie schon die tieferen Sümpfe aufgefüllt hatten, wieder aushoben. »Und das Ganze nur, um ein bisschen Antikplunder freizulegen, Stücke und Scherben von Krügen, Töpfen und Dachziegeln, ein paar Bronzenägel, verrottete Münzen«, erzählte Arturo zu Hause enttäuscht. Seine schwangere Frau und seine Mutter gaben ihm recht, der Vater hielt sich bedeckt: Zu groß war seine Wertschätzung für den Professor, den er für einen gescheiten und anständigen Mann hielt. »Wenn er gräbt«, brummte er schließlich, »wird er wohl einen Grund haben, vielleicht sind wir Bauern einfach zu dumm, das zu kapieren.«
Der Sohn wurde zornig: »Was
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