Der Hügel des Windes
bestehen«, hatte das Fräulein Lehrerin geunkt, eine griesgrämige Jungfer aus Spillace, die sich seit der ersten Klasse vergeblich bemüht hatte, sie zu bändigen.
Für Ninabella hingegen war die größte Enttäuschung der Vater, der sich nicht klar äußerte. Der höchstens orakelte: »Ich habe nicht nein gesagt, warten wir das Ende der Grundschule ab, und dann sehen wir weiter.«
Sie wartete mit Tränen in den Augen. Was sollte sie tun? Mit der Mutter und der Großmutter konnte sie furios streiten, bezeichnete sie als vorgestrig, gemein, als Eselinnen gar, fing sich dabei die eine oder andere Maulschelle und empfand im Grunde Mitleid mit ihnen. Beim Vater hingegenwagte sie nicht, den Mund aufzumachen, sie wollte ihn nicht verletzen, verstand aber auch nicht sein Zögern.
Als der Moment kam, sich für die Eingangsprüfung anzumelden, schenkte Arturo ihr eine große Palette mit Temperafarben, Pinsel in verschiedenen Formen, meterweise gerollte Leinwand und eine Staffelei. »Alles Dinge für echte Maler«, sagte er. »Die habe ich für dich in Crotone gekauft.« Ninabella umarmte ihn glücklich und dankbar. Niemals im Leben hätte sie gedacht, dass der Vater den folgenden Satz aussprechen könnte: »Jetzt hast du alles, was du als Malerin brauchst. Du hast Talent, lass die Schule sein, sie hilft dir nicht, für eine Frau ist das nur Zeit- und Geldverschwendung. Eines Tages, wenn du eine hübsche Familie hast, wirst du es mir danken.«
Ninabella fiel von ihrem Vater ab wie eine entkräftete Schiffbrüchige vom Felsen. Um sich nicht an Mutter und Großmutter zu klammern, die sie mit triumphierendem Lächeln ansahen, umarmte sie den Bruder, bevor sie in einer Tränenflut versank.
Anfangs schwieg Michelangelo verlegen. Schließlich sah er seinen Angehörigen in die Augen, einem nach dem anderen, furchtlos, und sagte mit Nachdruck und Entschlossenheit: »Was soll das, erst macht ihr Versprechungen, und dann kneift ihr? Wollt ihr das Wort des Großvaters brechen, das er ihr vor dem Lehrer Tavella gegeben hat? Damals habt ihr gesagt, Ninabella würde zur Schule gehen wie ich, wenn Geld da ist. Nun haben wir Geld, dank Großvater und Papa, der hart für uns arbeitet. Außerdem kann Ninabella sich mit mir das Zimmer teilen, sich an meinem Institut einschreiben, aus meinen Büchern lernen. Damit würden wir viel sparen und euer Gewissen wäre rein.«
»Was habe ich nur für einen gescheiten Sohn. Da hört man doch schon den Herrn Lehrer heraus, der uns ordentlich den Kopf wäscht. Aber bis zum Beweis des Gegenteils bin immer noch ich der Vater dieser Familie, und ich bin es, der entscheidet, verstanden?«
Michelangelo wäre vor Wut beinahe geplatzt, doch er entgegnete nichts.
»Wie dem auch sei, wenn Signor Maestro Michelangelo Arcuri die Verantwortung als älterer Bruder übernimmt, kann Sofia Antonia wegen mir in Catanzaro die Schule besuchen. Abgemachte Sache«, schloss er ironisch, um erhobenen Hauptes aus dem schmutzigen Schatten zu treten, in den ihn die Worte des Sohnes seiner Ansicht nach gestellt hatten.
Mutter und Großmutter schüttelten resigniert die Köpfe, Ninabella hingegen umarmte den Vater. Dann bot sie ihm zur Rührung aller anderen ihre Goldmünze an: »Die kannst du verkaufen, wenn du Geld für meine Schule brauchst.«
Der Vater barg die Hand mit der Münze darin in seiner: »Nein, die gehört dir, und du darfst sie niemals verkaufen, auch nicht, wenn du groß bist, sie ist ein Stück unserer Erde, das du mitnimmst, wohin du auch gehst.«
Ninabella lächelte: Das war ihres Vaters Art, zu reden und zu handeln, die sie sich immer erträumt hatte.
21
Am nächsten Tag arbeiteten sie auf dem Rossarco, Arturo und sein Sohn. Bis zur Mittagspause sprach der Vater kein Wort. Er schnitt das Unkraut mit harten, zornigen Hieben der Heusense, als schlage er wilden Teufelsschlangen die Köpfe ab. Michelangelo arbeitete in gebührendem Abstand in der festen Überzeugung, der Vater trage ihm die Geschichte mit Ninabella nach.
Am späten Vormittag setzten sie sich unter einen Kirschbaum und aßen einen halben ausgehöhlten und dann mit scharfer Wurst gefüllten Laib Brot. Es war ein schöner Junitag, der Vater schloss die Augen und wandte das Gesicht zum Meer, der Sonne entgegen. »Ich muss mit dir reden«, sagte er plötzlich. Er wirkte nicht mehr ärgerlich. Michelangelo ließ das Brot sinken. »Die zwei Männer, deren Skelette der Professor beim Graben auf unserem Hügel gefunden hat, die habe ich als
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