Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
Vom Netzwerk:
Lehrer sich weigern würde, es anzuerkennen.
    Aus Anstand schrieb Marisa Michelangelo einen kurzen Brief:
    »Mein Liebster, ich kann nicht sofort zurückkehren, wie ich es Dir versprochen habe, weil ich schwanger bin und völlig durcheinander. Ich verlange nichts von Dir, was geschehen ist, ist nicht Deine Schuld: Wir waren beide leichtsinnig, ich mehr als Du. Ich schreibe Dir nur, weil ich es für richtig halte, dass Du die Wahrheit von mir erfährst. Ich liebe Dich sehr, Marisa.«
    Zwei Tage nach Erhalt des Briefes erreichte Michelangelo Turin. Er war müde von der langen Reise, aber überglücklich über das Wiedersehen mit Marisa und ihre Schwangerschaft. Keine Sekunde lang dachte er an Abtreibung, hatte nicht den geringsten Zweifel, was zu tun sei, war sich im Gegenteil sicher, dass dieses Wesen im Schoß der Mutter einJunge werden würde, er nannte es »unser Sohn« mit unbeugsamem, ansteckendem Stolz.
    Mit Tränen in den Augen küsste sie ihn unter den Blicken ihrer Eltern. Und ohne Zeit zu verlieren, nutzte er die allgemeine Rührung, um beim Vater um die Hand der Tochter anzuhalten, wie er es in Kalabrien getan hätte.
    Also heirateten sie, bevor der Bauch zu ausladend und auffällig wurde. Nicht vor dem Standesamt, wie Marisa vorgeschlagen hatte, sondern in einer kleinen Kirche im Zentrum, um die beiden Mütter zufriedenzustellen.
    Es wurde eine vergleichsweise nüchterne Zeremonie mit etwa zwanzig Gästen, unter denen der Trauzeuge Umberto Zanotti-Bianco hervorstach. Aus dem Dorf war nur Lina mit dem Zug gekommen und aus London Ninabella mit ihrem Verlobten David, den sie im Herbst heiraten würde.
    Am Ende war also eingetreten, was alle insgeheim gehofft hatten. Und am strahlendsten über das glückliche Ende war Williams Bruder, der sich seiner Ninabella gegenüber schon so aufmerksam verhielt wie der liebevollste Ehemann.
    Lina war zufrieden: Im Laufe eines Jahres sollten beide Kinder unter die Haube kommen. Da machte es ihr nichts aus, dass die junge Braut aus Turin kam und der zukünftige Gatte gar aus England. Wichtig war doch, dass sie sich liebten, wie ihr Arturo gesagt hätte, wenn er bei ihnen gewesen wäre.
    In diesem Augenblick endete die Zeremonie, und Lina, die an die Trauungen in der gutgefüllten Kirche der Santa Vènnera gewöhnt war, konnte sich einen ironischen Kommentar nicht verkneifen: »Welch ein Trubel, wie viele Leute! Wie bei der Hochzeit einer Prinzessin.«
    »Aber eine Braut, die so hübsch und gescheit ist, sucht manin Spillace vergebens«, gab Ninabella mit einem komplizenhaften Augenzwinkern zu ihrem Bruder zurück. Tatsächlich war Marisa anziehender denn je, mit ihrem von der Schwangerschaft betonten Busen und der anmutigen Figur dank hoher Absätze und langem Kleid.
    »Ihr seid ein perfektes Paar«, sagte Umberto Zanotti-Bianco, als er sie mit Küssen beglückwünschte. »Das habe ich schon in dem Gymnasium in Crotone gesehen, dass ihr füreinander geschaffen seid. Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt, ihr habt es verdient.« Und noch vor dem Hochzeitsessen am Mittag reiste er nach Rom ab, weil er am nächsten Tag einen Termin im Parlament hatte, wie er zur Entschuldigung vorbrachte, da er in diesen Monaten zum Senator auf Lebenszeit berufen worden war.
    Michelangelo blieb in Turin, bis die Schule wieder begann, und kehrte zu den Weihnachtsferien dorthin zurück.
    In dem großen Haus der Schwiegereltern kam er sich verloren vor, obwohl Marisa bei ihm war, ihn bei Tisch in die Gespräche einbezog und ihn zu langen Spaziergängen durch die Stadt zwang, sie mit hervorspringendem Bauch und wiedergefundener Sicherheit aus den Zeiten vor der Schwangerschaft, er in einem feinen Anzug mit enggeschnürter Krawatte, die ihm das Aussehen eines plumpen Bauerntölpels verliehen.
    Als ich in einer aseptischen Abteilung des Turiner Sankt-Anna-Krankenhauses geboren wurde, war mein Vater in Spillace in der Schule oder auf dem duftenden Hügel zugange, wo seine Mutter ihn zur Welt gebracht hatte. Per Telegramm setzte mein Großvater Cesare ihn von dem Ereignis in Kenntnis, und er nahm eilig den ersten Zug von Crotone nach Turin.
    Mein Vater gestand mir, er sei in Freudentränen ausgebrochen, als er mich sah, zum zweiten Mal in seinem Leben, während Marisa ihn umarmte und küsste, ihm zuflüsterte, aufzuhören, nicht kindisch zu sein, der Kleine erschrickt sonst und hat für immer das Bild des heulenden Vaters im Unterbewusstsein, bitte, hör auf, und sie küsste ihn auf den Mund und

Weitere Kostenlose Bücher