Der Hügel des Windes
da ist noch viel sturer als ich«, brummte er und schwieg dann bis zum Mittagessen.
In den ersten vier Tagen hatten wir einige Tonscherben von Krügen gefunden, zwei unförmige Marmorbrocken, drei am Rand verzierte Ziegel und eine Pfeilspitze aus Bronze. Zu wenig für meinen Vater und mich, wir waren enttäuscht und gelangweilt, während meine Mutter ohne jeden Kommentar hochkonzentriert die Arbeiten weiterführte, voll Vertrauen, dass diese vereinzelten Fundstücke, die in unseren Augen profan und unbedeutend waren, zu der sensationellen Entdeckung Krimisas führen würden.
Am fünften Tag legte mein Vater zwei von der Zeit zerfressene Knochen frei. Ich sah, wie er blass wurde und schnell meine Mutter herbeirief: »Marisa, komm mal schauen, was hier ist.«
Meine Mutter begriff sofort den Grund für seine Blässe und beruhigte ihn: »Das sieht mir nicht nach menschlichen Knochen aus, außerdem sind sie mindestens tausend Jahre alt.«
Anstelle der Worte, die er nicht auszusprechen wagte, stießer einen erleichterten Seufzer aus. Es war die absurde, niemals ganz erloschene Hoffnung, sein Vater könne gesund und munter auf dem Hügel auftauchen, wie vom Wind hergetragen.
Sonntags ruhten wir uns aus. Eines Montags, als wir aus dem Wagen stiegen, wurden wir von dem Widerhall metallischen, hektischen Lärms überrascht, der zu uns heraufdrang. Wir stürzten zur Ausgrabungsstätte und sahen das Treiben zwischen dem Fuß des Hügels und der Bundesstraße 106. Es waren vier Bagger, die behände durch die Staubwolken rollten, Erde abtrugen und auf der Ebene verteilten oder sie auf große Lastwagen luden, die in Richtung Straße davonfuhren.
»Die sind ja verrückt geworden. Sie verschandeln alles. Diese Mistkerle, Kriminelle, sie müssen gestoppt werden. Ich gehe zu den Carabinieri und zeige sie an, diese Halunken«, schrie meine Mutter. Selten hatte ich sie so wütend erlebt.
Alle Teilnehmer der Gruppe gaben ihr recht, waren bestürzt und fassungslos. Mein Vater sagte nichts, er war wie versteinert, die Augen weit aufgerissen, als sähe er einen Horrorfilm.
Meine Mutter rannte auf die Bagger zu: »Aufhören, ihr könnt hier nicht graben, das ist eine archäologische Ausgrabungsstätte. Ich zeige euch an, Verbrecher, Banausen!«, wiederholte sie völlig außer sich.
Wir rannten allesamt hinter ihr her, auch mein Vater. An der dornigen Ginsterhecke, die unser Land begrenzte, holten wir sie ein. Meine Mutter stieß ihre Beschuldigungen und Drohungen aus, doch der Lärm der Schaufelbagger übertönte ihre Worte, ganz abgesehen davon, dass die Baggerführerso taten, als sähen sie uns hinter unserem Dornengestrüpp gar nicht.
Mein Vater trat zu meiner Mutter, nahm ihre Hände in seine und sagte ruhig: »Ich verstehe, dass du wütend bist, aber leider können wir nichts machen. Was sie da ausheben, ist ihr Gelände, wenn sie unseres anrühren, gehen wir sofort zur Polizei. Im Moment können wir nichts tun als weitergraben.«
Meine Mutter wandte sich ab und begann, den Hügel wieder hinaufzusteigen, wir hinterher wie Fußsoldaten auf dem Rückzug.
An diesem Tag gruben wir schweigend und warfen aus den Augenwinkeln giftige Blicke auf die Bagger in der Ferne, die keinen Moment stillstanden.
Abends gingen wir niedergeschlagen nach Hause. Mammalì und Mammasofì erwarteten uns mit ihren Leckereien, schmale Bandnudeln mit Wildschweinragout und Schafskäse, gebratene Paprika mit Kartoffeln, Zwiebeln und Auberginen, das einzig Gute an diesem fürchterlichen Tag.
Nach dem Essen tauchten wieder die zwei Fremden auf, elegant gekleidet wie beim ersten Mal und so herzlich, als seien sie alte Freunde.
»Wir sind gekommen, um Euch das Geschäft erneut vorzuschlagen. Sicher habt Ihr gut darüber nachgedacht: Ihr seid studierte und intelligente Leute und werdet begriffen haben, dass es uns ernst ist.«
»Auf eurem Gelände könnt ihr bauen, was ihr wollt«, erwiderte mein Vater ruhig. Und meine Mutter fügte grob hinzu: »Auf unserem wissen wir selbst am besten, was zu tun ist. Und das tun wir!«
»Signor Arcuri, es geht Euch doch wohl nicht um Preistreiberei.Wir haben eine Menge Geld in dieses Projekt gesteckt. Viele der Häuschen wurden bereits auf dem Papier von unseren nach Deutschland ausgewanderten Landsleuten gekauft. Was geben wir ihnen, wenn sie zurückkehren, ein paar zerbrochene Ziegel? Ihr könnt Euch doch nicht der Schaffung unzähliger Arbeitsplätze und der touristischen Erschließung entgegenstellen, nur wegen Eurer
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