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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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unserem König und ließen ihn Wien zum Nabel der Welt ausrufen, indem wir ihm erlaubten, dieser seltsamen Weltorganisation einen ihrer drei Paläste an unseren Ufern der Donau zu bauen. Gott sei Dank geschah das dort drüben in Transdanubien, also dem Teil der Stadt, der denkbar weit davon entfernt ist, ein Bezirk Wiens zu sein.   
    Wir wussten trotzdem nicht so recht, was wir mit dieser Ehre anfangen sollten: Immerhin, eines von drei vermeintlichen Zentren der Welt, aber von unseren Steuergeldern bezahlt, was mehr als nur ärgerlich war. Wir waren also unentschlossen und taten, was wir in solchen Fällen immer tun: wir ignorierten, was uns verwirrte – eine Tatsache, aus der unser Sonnenkönig die falsche Lehre zog. Denn ein anderes Gebäude, das er ein paar Jahre später in einen kleinen Ort namens Zwentendorf stellen wollte, verboten wir ihm dann doch. Ich glaube, dass er bis zu seinem Tod nicht erkannt hatte, warum. Dabei hätte er es wissen müssen. Denn er verstand uns meistens bis in die versteckteste Faser unseres Körpers. Er hätte wissen müssen, dass er uns ein Atomkraftwerk verkaufen hätte können. Aber er hätte auch wissen müssen, dass wir ihn abblitzen lassen würden, sobald er sagte, er würde das Ding hinstellen, egal, was bei der Volksabstimmung herauskommt.   
    Während der Westen solcherart darniederlag, sich vor windigen Ölscheichs selbst demütigte oder in Form von Watergate’schen Präsidentenabsetzungen selbst lähmte, schien die kommunistische Gefahr von Jahr zu Jahr größer zu werden. Die Roten Khmer begannen in Kambodscha ihre Schreckensherrschaft, die erst eine Million Tote später zu einem Ende kommen sollte. Der Vietkong nahm Saigon ein, der letzte Amerikaner verließ mit eingezogenem Schwanz einen Flecken Erde, auf dem er ohnehin nie etwas zu suchen hatte.  
    Abba, Gott schütze sie, holten sich den Song Contest des Jahres 1974. Angesichts dieses musikalischen Supergaus war es kein Wunder, dass der King drei Jahre später seinen Tod vortäuschte.   
    Doch es geschah auch Gutes in dieser Zeit: Unser Niki Lauda wurde – Phönix aus der Asche – Formel 1-Weltmeister. Solcherart ermutigt nahm ich das schüchterne Mädchen, das ich in der Arbeit kennengelernt hatte, zur Frau. Dafür, dass ich versprach, sie niemals alleine zu lassen, immer für sie zu sorgen und sie nur im äußersten Notfall ordentlich zu verprügeln, kündigte sie ihre Stelle uns schenkte mir zwei wundervolle Söhne.

1975
     
     
    “ Zwillinge.” Herr Dvorschak sah mich erstaunt an. “Ist das nicht anstrengend” 
    “ Nein, eigentlich nicht. Wieso auch?” 
    “ Ihre Frau hat also alles im Griff.” 
    “ Ja, ich habe ein echtes Prachtexemplar an Land gezogen. Sie macht das alles phantastisch. 
    “ Wirklich? Haben Sie ein Photo?” 
    “ Natürlich.” Ich holte zwei Lichtbilder hervor. Ein altes, das ziemlich genau drei Jahre alt war und eine junge, dunkelhäutige Frau mit zusammengeknoteter Bluse und kürzest-, gerade noch möglichem Minirock, alleine mit dem Rücken zum Meer zeigte. Dem Umstand, dass die Bluse a) weiß, b) nass und c) von der hinter ihr stehenden Sonne durchleuchtet wurde, war es zu verdanken, dass die Rundungen meiner Gemahlin dem Betrachter auf durchaus als aggressiv zu bezeichnende Weise entgegenschallten. Das zweite zeigte meine Göttin drei Jahre später mit den Zwillingen: kohlschwarze Augen, dunkle Locken, Grübchen und eine Lächeln, das im Genpool meiner Heimat schlicht nicht vorhanden war. 
    “ Ach, Kuba”, seufzte Herr Dvorschak. 
     
     
    ***
     
     
    “Wie geht es Ihnen denn finanziell so?” 
    “ Jetzt, da Sie wieder in der Stadt sind – und  erlauben Sie mir zu betonen, wie froh ich darüber bin – wahrscheinlich  gleich viel besser.” 
    “ Herr Alexander, Sie sind in den Jahren zu einem richtig guten Agenten gereift.” 
    “ Keine Kunst … bei den Führungsoffizieren.” 
     
     
    ***
     
     
    Aber ehrlich gesagt, war es nicht nur das Geld. Ich war über Dvorschaks Auftauchen auch deshalb froh, weil es mich aus dem Trott riss, der sich in den letzten Jahren in mein Leben geschlichen hatte. Ganz heimlich, Schritt für Schritt. 44 Jahre war ich nun. Angeblich ein Mann im besten Alter. Doch was hatte ich davon? Ich stand früh, sehr früh auf, verrichtete meinen Frühdienst, stand, wenn der Herr Generaldirektor das Haus betrat in der ersten Reihe, durfte mit ihm ein paar Worte wechseln, aber viel mehr war da auch nicht. Natürlich: Die Kinder

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