Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
sicher ein paar Namen von ein paar Händlern ...”
“ Ohne Frage. Und ich kann ihnen auch zehn Stück besorgen. Sogar für diese Vorstellung, die, wenn ich das anmerken darf, innerhalb einer halben Stunde ausverkauft war. Aber nicht in einer Loge, nicht so spezifisch. Der Großteil der Karten befindet sich schon in dritter oder vierter Hand, ein paar schon bei denen, die genug Geld haben, dass sie die Tickets auch wirklich zum Eintritt erworben haben. Mit anderen Worten: Es ist unmöglich.”
“ Geld spielt keine Rolle.”
“ Wir reden hier über Aufschläge von 1000, 1500, 2000 Prozent. Das ist Wahnsinn.”
“ Geld spielt keine Rolle.”
Ich überlegte kurz.
“ Vorschuss und Abnahmegarantie.”
Herr Dvorschak blickte mich fragend an.
„ Die Opernkarten, die ich Ihnen besorgen soll, kosten ab Kasse 800 Schilling pro Stück. Die Loge, die sie wollen, verfügt über acht Plätze. Wenn ich im Schnitt mit 1500 Prozent Aufschlag rechne, macht das 96.000 Schilling. Ein wenig Spielraum nach oben wäre nicht schlecht. Also 100.000, bar, sonst fange ich gar nicht erst an.”
“ Und die Abnahmegarantie?”
“ Sie nehmen jede Karte, die ich ihnen in der Loge besorge, ab – selbst wenn ich nicht alle bekomme. Ich schlage auf den Kartenpreis noch einmal 200 Prozent das Kassapreises auf. Normalerweise nur 100. Aber was Sie da von mir wollen ist unmöglich, also werde ich entsprechend Zeit investieren müssen.
“ Wenn ich Ihnen so zuhöre, klingt das alles gar nicht mehr so 'unmöglich'.”
“ Ich bin ein gottverdammter Profi. Was haben Sie anderes von mir erwartet?”
***
Ich traf Herrn Edi in dem Hotel, dem man ansah, dass es noch ein paar Jahrzehnte zuvor ein Bordell gewesen war. Was nicht abschätzig gemeint sein soll – ganz im Gegenteil. Die bordeauxfarbenen Stofftapeten, die pistaziengrünen Sofas und Fauteuilles verliehen den verwinkelten Räumen und Gängen etwas Heimeliges. Wir saßen in einer Ecke, von der aus wir jeden, der den Salon betrat sehen konnte, bevor dieser sich unserer Anwesenheit gewahr werden konnte.
„ Das ist kein leichter Auftrag“, konstatierte Herr Edi das Offensichtliche. Ein schwarz glänzender Zigarettenspitz hing leer in seinem rechten Mundwinkel. Er versuchte sich das Rauchen abzugewöhnen. Das, seit ich ihn kannte, also mindestens 15 Jahre. Oft, zu oft, und gerne zitierte er Mark Twain, wonach ihm nichts leichter gefallen sei, als mit Rauchen aufzuhören. Es sei ihm schon hundert Mal gelungen.
Herr Edi galt in der Szene als Legende. Dafür sorgte unter anderem die Tatsache, dass man ihn nie anders als in einem weißen Anzug mit ebenso weißem Panamahut antraf, dazu edle, italienische Halbschuhe in der Farbe von Nussholz, im Winter ein prächtiger Polarfuchsmantel. Echter Pelz, verstand sich. Von diesem Kleidungsstück rückte er auch nicht ab, als die Jungen damit begannen, Pelzmäntel mit grellen Farben zu besprühen. So etwas wurde bei Herrn Edi auch versucht. Aber nur ein Mal. Attentäter und Pelzmantelträger schafften es damals sogar auf die Chronik-Seiten. Was nicht am Sprühversuch lag. An die hatte man sich zu der Zeit bereits gewöhnt. Ungewöhnlich war aber, dass der Pelzträger den Angreifer dazu aufgefordert hatte, die Dose „aufzubeißen und den darin enthaltenen Inhalt zu trinken.“ Als dieser Bitte nicht nachgekommen wurde, packte sich Herr Edi den, wie sich später herausstellen sollte, Germanistik-Studenten, öffnete dessen Mund so weit, dass die zugegebenermaßen recht kleine Dose auch dort hinein passte und sorgte mit einem kurzen Haken dafür, dass das Sprühgerät tatsächlich aufgebissen wurde.
Ich zog eine Milde Sorte aus der Sakkotasche, nach einem Streichholz suchte ich vergebens.
„ Haben Sie Feuer?“
„ Nein, habe ich mir abgewöhnt. Ist mir ganz leicht gefallen …“
Ich winkte ab. „Ich weiß, ich weiß … zurück zu den Karten …“
„ Ja.“ Herr Edi sog Luft durch seinen Spitz. „Also, wie gesagt, das ist schwierig.“
„ Aber lukrativ.“
„ Aber lukrativ.“
Ich nickte, wartete.
„ Schau’n wir einfach was sich machen lässt?“
„ Natürlich. Sie können sich aber vorstellen, dass ich mich auch an das Kartenbüro Lilienstiehl wenden werde.“
„ Aber natürlich, aber natürlich.“ Herr Edi lächelte dünn. „Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft.“
„ Bekanntlich.“
***
Drei Tage
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