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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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Frage. Keine Beleidigung. Vielleicht ließ mich gerade das angegriffen fühlen. “Mir ist gesagt worden, dass ich den Treffpunkt nicht kennen soll. Dafür habe man sie geschickt.”  
    Der Fahrer nickte und sah wieder nach vorne. “Genau.”  
     
     
    ***
     
     
    Nach einer Zeit, in der wir es bis Prag hätten schaffen können, lenkte der Fahrer den Golf an den Straßenrand. 
    “ Haben Sie einen Pass mit?” 
    “ Ja.” 
    “ Ihren?” 
    “ Welchen sonst?” 
    Der Fahrer streckte die Hand aus, ich übergab ihm die Papiere, die er wortlos in eine Plastikfolie wickelte. Dann stieg er aus dem Wagen, zückte ein Taschenmesser und verscharrte das Paket im Boden.   
    “ Merken Sie sich die Stelle.” 
    Ich nickte.  
    Der Fahrer legte den Gang ein.  
    “ Warten Sie!” 
    Ich sprang aus dem Wagen, scharrte die Erde wieder fort und achtete darauf, dass der Fahrer nicht erkennen konnte, was ich zum Pass dazulegte.  
    “ Jetzt können wir.” 
     
     
    ***
     
     
    Als der Fahrer den Wagen in einen kleinen Wald lenkte und Motor wie Scheinwerfer ausschaltete, war es bereits dunkel. 
    “ Wir warten.” 
    Ich zerrte den Kragen einmal mehr über beide Ohren, zog den Kopf so weit ein, wie es nur ging und schloss die Augen.  
     
     
    ***
     
     
    Und stand auf einem Berg.  
    Über mir ein hellblauer, gläserner Himmel. Die Luft war klar. Mir schauderte kurz, aus einem Reflex heraus. Gänsehaut breitete sich auf meinen Oberarmen aus. Doch ohne Grund. Es war nicht kalt. Warm? Nein. Auch nicht. Einfach nicht kalt und auch nicht warm. Unerklärlicherweise überkam mich der Gedanke, ich sei ein   Fötus, befände mich im Mutterleib. Das gefiel mir. Keine Verantwortung, nicht einmal atmen müssen. Doch ist es dort nicht warm? Und steht man dort auf einem Berg? Wieso stehe ich auf einem Berg? Außerdem: zu hell für das Innere eines Mutterleibes. Und zu still. Keine Geräusche von außen, nicht das geringste. Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere. Das unvermeidliche Scharren rief ein Geräusch hervor.  
    Es war zu laut.   
    Irgendwie trocken.   
    Und.   
    Es hallte nicht.   
    Gar nicht.   
    Ich blinzelte ein paar Mal.   
    Die Luft war gar nicht trocken.   
    Nur.   
    Normal.   
    Normal.   
    Nicht feucht und nicht trocken.   
    Ich räusperte mich. Wieder zu laut das Geräusch. Und wieder das Gefühl von Trockenheit. Aber bei einem Ton?   
    Wieso. Räuspern. Wieder. Zum Test. Trockenheit, Trockenheit ... warum? Echo? Test, Test. Räuspern. Kein Echo.   
    Jetzt erst sah ich mich um und sah eigentlich nichts.   
    Außer diesem Berggipfel auf dem ich stand. Und dem Wolkenmeer, das sich unter mir erstreckte und so weit reichte, wie ich sehen konnte. Außer dieser kalten weißen Sonne, die über mir stand und dem kalten Himmel, der sich über mich gespannt hatte und in sein eisiges, kobaltblaues Licht hüllte.   
    Ob all der visuellen Kälte wollte ich wieder erschauern. Doch mein Körper lernte schneller als mein Geist und blieb still.   
    So wie alles hier.   
    Noch einmal räusperte ich mich. Diesmal um meine Stimmbänder zu lösen. Welche sich in den wenigen Momenten, in denen ich mich umgesehen hatte, beschlagen, um nicht zu sagen, verkrampft hatten.   
    Dann, als Sprache wieder möglich schien, fragte ich ganz unverbindlich, so in die Runde hinein: „Hallo?“  
    Niemand antwortete.   
    Was vermutlich ein Glück war. Denn Stimmen zu hören, gilt, wenn man alleine ist, im allgemeinen nicht als das best mögliche Zeichen bezüglich des eigenen, höchstpersönlichen Geisteszustandes.  
    Gut“, sagte ich also laut und echolos zu mir selbst. „Da steh ich nun ich armer Tor...“ Ich begann zu kichern. Fasste mich. Blickte, so weit mein Augenlicht reichte, das Wolkenmeer entlang.   
    „ Schade. An sich das richtige Panorama. Aber die Akustik:“ Kurze, aber dramatische Pause. „Echt Scheiße!“ 
    Ich setzte mich vorsichtig hin. Erwartete einen kalten Felsboden.  
    Aber wieder: Nicht kalt, nicht heiß. Gar nichts.   
    Saß also.  
    Legte mich rücklings hin, meine Hände hinter meinem Kopf verschränkt.   
    Und sah nur blau.   
    Blau, blau, blau.   
    Ist meine Lieblingsfarbe.  
    Blau, blau, blau.  
    Mein gesamtes Gesichtsfeld war davon erfüllt. So lag ich da und starrte, und verlor den Fokus, immer mehr, und mehr, und mehr, und konnte nichts mehr unterscheiden, wurde hochgesaugt, vom Boden, konnte mich nicht mehr halten, obwohl ich

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