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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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    T...  
    Wieder sah ich ihn an. Ohne etwas zu denken, diesmal. Nicht an die Kälte, die nicht war, nicht an den Himmel, nicht an meine Fingerkuppen. Und so, ohne Bewusstsein, schnippte ich ihn weg, in kleinem Bogen flog er los, ergab sich nach kaum einem Moment der Schwerkraft, wurde von der Wolkendecke verschluckt, bevor ein Tack zum „a“ kommen kann und schlug mit einem kleinen Klacken auf, bevor das „c“ möglich gewesen wären.   
    Aufgeregt sprang ich auf. Das war nichts gewesen. Nichts. Keine Tiefe. Keine Höhe. Alles Illusion.   
    Kein Wunder.   
    Wieso war ich erstaunt?   
    „ Hört, hört.“ 
    Ich wirbelte herum. Sah die Sphinx, wie sie mit geschlossenen Augen aber amüsiert verzogenem Mund, wie eben noch (oder vor Jahren schon?) auf ihrem Bauch lag. Das Kinn immer noch zwischen den Pranken eingebettet. Ein „Hört, hört was?“, schrie ich beinahe heraus. Doch verbiss ich es mir in letzter Sekunde. Stattdessen wandte ich mich wieder ab. Etwas steif. Kälte fand nun doch ihren Weg in meine Knochen.   
    Doch das machte nichts. Ich lächelte. Zuversicht. Die paar Meter konnte ich springen. Oder klettern. Doch nein. Meine Finger waren nun doch recht gefühllos. Von der Kälte. Wobei mir nicht klar war, wo diese Unterkühlung herrührte. Die Luft war ja weder kühl noch warm. Das Licht: kalt, ja. Die Stille rundherum: kalt, ja. Das Blau: kalt, ja. Aber reichte das für eine Kälte, die den ganzen Körper erfasst?   
    „ Die Kälte muss nicht immer von außen kommen.“ 
    Hatte sie das gesagt?   
    Hatte ich das gedacht?  
    Egal. Ich musste hier weg.   
    Ich wusste nicht so recht woher die Dringlichkeit stammte, fest stand nur dass ich nicht länger bleiben konnte. Vielleicht wegen der Stille und der Kälte, und den Fingern, die hier immer klammer wurden.   
    Was, wenn sie abstarben? Was wenn das Absterben bei den Finger nicht halt machte?   
    Ich musste los.  
    Obwohl ich bereits über wenig Gefühl in meinen Extremitäten verfügte und sich beim Hinabklettern, wenn ich Pech hatte, jederzeit und in jeder Spalte mein Griff lockern konnte, ich das Gleichgewicht verlieren, ich den Rücken voran fallen konnte.   
    Auf den Rücken.   
    Selbst bei geringen Höhenunterschieden gefährlich.  
    Und vor allem: War der Stein wirklich nur so wenig gefallen?   
    War mir der Flug nicht überraschend lang statt überraschend kurz vorgekommen?   
    Ich erinnerte mich plötzlich nicht mehr.  
    „ Das ist von Nachteil.“ 
    Ich ignorierte die Stimme. Stellte mich an den Rand des kleinen Plateaus. Holte Luft. Ging leicht in die Knie, fortgewischt die Bedenken, fortgewischt das Vorhaben eines würdelosen Hinabkletterns, wenn schon nach unten, dann wenigstens schnell, spannte meine unansehnlichen Muskeln, bereitete mich auf den Bodenkontakt vor, wippte einmal kurz nach hinten ...  
    ... als das Brüllen eines Löwen donnerte: „Denk nach!“  
    Markant zuckte ich zusammen, und zwar so, dass ich für einen Moment das Gleichgewicht verlor, einen fußbreit nach vorne trippelte, beinahe über den Rand stolperte und mich erst im letzten Moment so fing, dass ich zwei Schritte zurücktreten konnte.  
    Ich fuhr herum.   
    „ Was?!“, fauchte ich die Sphinx an. Diese hatte inzwischen den Kopf angehoben, wache Augen sahen mich an. 
    „ Nichts.“ Und bevor ich zu weiterem Protest ansetzen konnte: „Ich würde mir das mit dem Springen nur noch einmal überlegen. So ohne Flügel.“ 
    „ Was gibt es da zu überlegen?“ 
    Das Fabelwesen schloss gequält die Augen. Schüttelte seinen mächtigen Schädel. Dann: „Nimm noch einen Kiesel.“  
    „ Wozu...?“ 
    Sie wuchtete sich blitzschnell hoch, ihre Augen blitzten wütend. „Tu es einfach!“  
    Es gibt eine Zeit des Kämpfens … oder der Krieges … oder ... wie auch immer, keine Ahnung, wie das Zitat geht. Fest stand für mich in diesem Augenblick nur: Dies war eher keine Zeit des Diskutierens. Also hob ich wortlos einen Kiesel auf. Hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, zeigte ihn der Sphinx, versuchte mich an einem spöttischen Gesichtsausdruck, fragte wortlos: „Ja? Der da? Ist der gut?“  
    „ Wirf ihn in den Abgrund.“ Ruhig. Sachlich. 
    Ich warf das Steinchen über meine Schulter.   
    Ti.  
    Kein Aufprall.  
    Ck.  
    Nichts.  
    Tack.  
    Tick.  
    Tack.  
    Tick.  
    Tack.  
    Tick.  
    Ta ... BAMMMMMM!!!  
    Eine gewaltiger Knall, fast eine Explosion, raste den Berg hinauf. Ich riss meine Hände in die

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