Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
kannst?“, fuhr sie aufgeräumt fort.
„Was kostet das?“ Wittiges lehnte sich gegen die urinfleckige Mauer. Fredegund trug ein grünes Kleid aus weich fallendem Wollstoff, den er erstaunt als einen aus der Fertigung von casa alba erkannte. Er schmeichelte ihrer etwas fülligen Figur. Da sie die Ecke des Gebäudes im Auge behielt, rechnete er damit, dass sie dem Gespräch urplötzlich ein Ende setzte. Ein Schrei von ihr genügte, den Rest erledigten ihre Krieger. Sollte er sie daran erinnern, dass er ihr in Soissons die Flucht ermöglicht hatte?
Sie stieß ihn leicht gegen die Brust. „Du bekommst die Informationen gratis. Sag deiner Königin, dass sie ihren zweiten Gemahl genauso verloren hat wie den ersten. Aber vielleicht schreib ich ihr einen Brief. Das würde sicherstellen, dass du die Nachrichten nicht verdrehst oder entstellst.“
„Du kannst schreiben? Darauf wäre ich nie gekommen.“
Die Bemerkung ärgerte sie sichtlich. Auf einmal war alle aufgesetzte Freundlichkeit verschwunden. „Ich verwalte meine Güter selbst, das lass dir gesagt sein, und selbstverständlich beherrsche ich Schreiben und Lesen.“
Er hatte etwas anderes gehört, wollte aber auf keinen Fall darauf beharren. Sein Karren mit dem Pferd stand noch vor dem Palast. Auf den Karren konnte er verzichten, auf das Pferd dagegen nicht. In den Sattel des Falben eingenäht befand sich ein Vermögen in Gold solidi . Es war das Geld für die Reise in den Süden, die er antreten würde, sobald er seinen Auftrag erfüllt hätte. Von unterwegs würde er Brunichild einen Brief schreiben und ihn mit einem verlässlichen Boten nach Metz schicken. Dadurch entging er einem neuen Auftrag, der ihn zweifellos verpflichten würde, Merowech aus Le Mans zu befreien.
Ein Geräusch schreckte ihn aus seinen Überlegungen. Fredegund klatschte laut in die Hände. Noch während er dachte, was für ein Miststück sie war, stürmten fünf Männer um die Stallecke. Gleichzeitig rammte ihm Fredegund mit voller Wucht das Knie in den Schritt. Wittiges krümmte sich vor Schmerz.
Es gelang ihm nicht einmal, Schwert oder Dolch zu ziehen. Einer der Männer schlug ihn mit einem schweren Knüppel ins Kreuz. Er fiel kopfüber in den Dreck und wurde, bevor er sich zur Wehr setzen konnte, systematisch zusammengeschlagen. Mehrere Tritte erhielt er in die Nieren und in die Rippen, von denen mindesten eine mit einem trockenen Knacken brach. Am Ende hatte er das Gefühl, keinen heilen Knochen mehr im Leib zu haben, und es hörte noch nicht auf. Einer der Knechte schlug ihn immer wieder gegen den Kopf, obwohl er sich dagegen mit den Armen zu schützen versuchte. Dass keiner seiner Peiniger auch nur ein Wort sprach, empfand er als besonders grauenvoll.
Von fern hörte er ein letztes Mal Fredegunds Stimme, dann wurde er an den Armen gepackt und weggeschleift. Ihm schwanden die Sinne.
Als er aufwachte und sich der Schmerz wieder in sein Bewusstsein stahl, befand er sich in halb sitzender Stellung in einem großen, eiskalten Raum mit niedriger gewölbter Decke und einer blakenden, im Verlöschen begriffenen Fackel. Eisenketten zogen sich von seinen Handgelenken bis zu einem Ring in der Wand hoch über seinem Kopf. Während der Schmerz zu einer Feuersbrunst anwuchs, die durch seinen geschundenen Körper raste, bemerkte er ein Stück von seinen Füßen entfernt eine große eingetrocknete Blutlache. Die Wände schwitzten Kälte und Nässe aus, die Oberfläche der groben Steine wirkte schmierig, und alle Einzelheiten verrieten Wittiges eindrücklich, dass er sich an einem Ort der Hoffnungslosigkeit befand. Er machte sich keine Illusionen. Ihm stand eine Leidenszeit bevor, die nur ein bestimmtes Ende finden konnte, und er fragte sich, wann Fredegund zu der Meinung kam, dass er genug gebüßt hatte. Früher, dessen war er sich sicher, hätte sie ihn laufen lassen. Aber mittlerweile war sie härter und gnadenloser geworden. Er hätte sie in Chalon gefangen nehmen müssen, seine eigene Milde oder vielmehr Schwäche ihr gegenüber zahlte sich nicht aus.
Die Zeit verging in einem unheiligen Gleichmaß. Beinahe täglich wurde er morgens und abends geschlagen, bis er zu winseln begann, und wieder sich selbst überlassen. Einmal am Tag erhielt er ein Stück altes, trockenes Brot, das ihm oft die Ratten wegfraßen, weil er zu müde war, es zu verteidigen. Dazu gab es einen Becher abgestandenes, leicht faulig schmeckendes Wasser. Als sich seine Beine mit Schwären bedeckten, begann er zu
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