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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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Sobald er einen offenen Verschlag erspähte, ließ er sich hineinfallen und kroch zu einem hinten an der Wand aufgetürmten Strohhaufen. Darin versteckte er sich den ganzen Tag und wagte sich erst in der Nacht wieder hinaus. In diesem Stall standen Klepper, wie sie für Knechte und andere niedere Bedienstete bereitgehalten wurden. Daher nahm er an, dass auch sein Pferd hier untergebracht war. Er kroch zwischen den Tieren umher, pfiff leise und lauschte angestrengt. Bauto, sein alter Bauto, hätte sich längst durch ein helles kurzes Wiehern bemerkbar gemacht, aber der Falbe, den er nach Paris geritten hatte, war schlecht dressiert. Er antwortete nicht. Oder hörte er ihn bloß nicht? Da sein Gehör durch die Haft und die Entbehrungen gelitten hatte, drang jedes Geräusch nur wie durch Schichten gepresster Wolle gedämpft zu ihm. Es war reiner Zufall, dass er den kleinen Hengst schließlich fand. Natürlich war der Sattel mit dem Geld verschwunden, er musste sich ohne ihn behelfen. Nach Sattel oder Zaumzeug zu suchen, erschien ihm zu riskant, er begnügte sich mit einem einfachen Halfter, das an einem Pfosten hing.
    Seiner Berechnung nach blieben noch drei Stunden bis zum Morgengrauen. Er folgte keiner genauen Überlegung, ließ aber die Brücke, die von der Seineinsel zur Stadt hinüberführte, links liegen. Dort standen mit Sicherheit Wachen. An der äußersten, unbebauten Spitze der Insel glitt er, das Halfter dreimal um die Hand geschlungen, ins Wasser. Zum Schwimmen war er viel zu schwach, aber er brauchte nur den Kopf über Wasser zu halten, denn der Hengst zog ihn ans gegenüberliegende Ufer.
    Zwei Stunden später erreichte er ein Kloster außerhalb der Stadt und fiel vor der geschlossenen Pforte vom Pferderücken.
    Fredegund fragte sich, was sie dazu gebracht hatte, einer sentimentalen Regung nachzugeben. Sie hatte die Wachen angewiesen, die Handfesseln und die Kerkertür aufzuschließen, als der Gefangene noch schlief, hatte aber nicht wirklich damit gerechnet, dass Wittiges die Gelegenheit zur Flucht ergriff. Doch dann hatte sie selbst beobachtet, wie er krank vor Schwäche frühmorgens an einer Mauer entlangschlich, und hatte dagegen angekämpft, ihn wieder ergreifen zu lassen. Die letzte Entscheidung über ihn sollte das Schicksal selbst treffen, nicht sie. Auf diese Weise stattete sie ihm ihren Dank dafür ab, dass er sie in Soissons hatte laufen lassen. Irgendwie hatte sie ja doch eine Schwäche für ihn, wenn auch keine besonders große. Und was konnte er schon ausrichten, falls er lebend aus Paris entkam? Merowech befand sich längst nicht mehr in der Stadt.
    15
    Wittiges verbrachte ewig gleiche Tage zwischen Traum und Schlaf, merkte nur am Rand seiner Wahrnehmung, wie er mit flüssiger und fester Nahrung versorgt wurde, und ließ alles gottergeben mit sich geschehen. Hin und wieder wurde er auf einen Eimer gesetzt, damit er Blase und Darm entleerte, danach versank er erneut in Halbdämmer, denn auch die geringste Anstrengung führte zu völliger Erschöpfung. Hitze und Kälte, die seine Zähne klappern ließ, wechselten sich ab. Die halblauten, aber manchmal auch scharfen Unterhaltungen, die an seinem Lager geführt wurden, nahm er nur als gelegentlich störende Geräusche wahr. Aber als ihn jemand sacht und hartnäckig auf die Wange schlug, riss er verärgert die Augen auf.
    Er blickte in ein mild lächelndes rundes Gesicht, in dessen Stirn sich ein paar graue Strähnen lockten. „Wusste ich’s doch. Du bist wach. Das Fieber ist endlich gesunken. Nun, mein Freund, wie geht es dir?“
    Vater Christophorus leitete das Kloster. Es war die Stiftung eines frommen Mannes, der auf einem der vielen Pilgerwege nach Tours eine einfache Herberge hatte errichten wollen, daher war das Pilgerhaus größer als das den Mönchen vorbehaltene Wohngebäude. Das gesamte Kloster nebst der Kirche bestand nur aus Holzrahmenwerk, ausgefacht mit Stroh und Lehm, der in der Winterkälte vor sich hinbröckelte und dem Wind überall Einlass gewährte. Die reicheren Pilger auf dem Weg zum Grab des Heiligen Martin suchten daher in aller Regel komfortablere Unterkünfte auf. Das einigermaßen gehaltvolle Essen - meist Erbs-  oder Kornbrei mit geschmolzener Butter oder etwas geräuchertem Speck -, brachte Wittiges aber langsam wieder auf die Beine. Noch wackelig, tappte er wie ein riesiger Welpe hinter Vater Christophorus her und lernte wieder laufen. Christophorus schimpfte auf den König, der ein Testament zugunsten des

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