Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Kleidung jetzt schon zu tragen?“ Brunichild runzelte verärgert die Stirn, lächelte aber dann überraschend.
In diesem Augenblick standen die Jungen nebeneinander, und es war so gut wie kein Größenunterschied mehr festzustellen. Bertho war über Nacht gewachsen.
„Ja, ich bin großzügig“, fuhr sie einschmeichelnd fort. „Und ich werde mich persönlich um Felix kümmern, das habe ich dir versprochen. Warum gibst du dich nicht zufrieden? Komm, iss mit mir.“ Sie deutete auf den Morgenimbiss, den ihre Sklavinnen angerichtet hatten, und nötigte Aletha, mit ihr an einem Tisch Platz zu nehmen, von dem aus sie die Kinder nicht mehr sehen konnten.
Aletha sprach den Speisen kaum zu. Brunichild dagegen aß mit gesundem Appetit. „Dacht ich’s mir doch. Du bist schwanger“, stellte sie schließlich fest. „Siehst du nun ein, dass du die Reise besser nicht mitmachst? Was würde Wittiges sagen, wenn du das Kind verlierst? Du brauchst einen zweiten Sohn, Aletha.“
Aletha presste die Hand auf den Mund. Tatsächlich litt sie an Morgenübelkeit, hatte sich aber bisher selbst nicht eingestehen mögen, welche Ursache dafür infrage kam. Jetzt war sie sicher. Jetzt wurde sie sich der anderen Anzeichen bewusst. Die Brüste spannten und waren voller geworden.
„Seit wann?“, fragte Brunichild und schielte amüsiert zu ihr hinüber.
„Es muss kurz vor Wittiges Abreise geschehen sein. Hör zu, das wird mich nicht hindern. Natürlich kann ich reisen.“
Vehement schüttelte Brunichild den Kopf.
„Bleib zu Hause und genieß dein Glück. Ich beneide dich darum. Eine Schwangerschaft in Sicherheit und Freude.“
In Sicherheit und Freude? Was meinte Brunichild damit? Schließlich wusste niemand, ob Wittiges heil und gesund heimkehrte. Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, sagte Brunichild:
„Er kehrt heim. Und er wird sich freuen. Sicher wird es ein Sohn -, sein Sohn.“
Mühsam schluckte Aletha ihren Zorn hinunter. „Wittiges hat einen Sohn, er will keinen anderen als Felix.“
„Ist das eine Abmachung, die ihr getroffen habt?“ Brunichild starrte sie neugierig an. Als sie vor Jahren Aletha mit Wittiges verheiratet hatte, war die Braut bereits schwanger gewesen. Das war der wichtigste Grund für die arrangierte Hochzeit gewesen.
„Können wir über etwas anderes reden als über meine Familie?“, fragte Aletha erbittert. „Ich habe ein interessantes Gerücht gehört und finde, du solltest davon erfahren: Es heißt, ein Priester namens Decius hat Fredegund mit zwei Dolchen angegriffen.“
Brunichild betrachtete die getrocknete Feige, die sie gerade verspeisen wollte. „Na und? Wundert dich das bei ihrem Ruf?“
Aletha schwieg und wandte sich angewidert ab. „Man sagt, der Priester ist gefasst worden und ihm sind Hände und Füße abgehackt worden. Er ist tot.“
Nur weil sie die Königin so gut kannte, bemerkte sie ein unmerkliches Zusammenzucken und das Flattern der Augenlider. Also ließ sie das Schicksal dieses elenden kleinen Priesters nicht gänzlich unberührt. Aber sicherlich wusste sie längst alles, denn ihre Spione mussten sie über den Ausgang des Attentats unterrichtet haben.
Brunichild seufzte unmerklich. „Dann hat er bekommen, was er verdiente.“
„Ich hab dich mit ihm gesehen. Du hast dich mit ihm in der Palastkapelle getroffen, und dort hast du ihm etwas gegeben. Waren das die Dolche?“ Aletha hatte Brunichild gesucht, und einer der Krieger, die überall Wache standen, hatte sie zur Kapelle geschickt. Weder Brunichild noch der Priester hatten sie bemerkt, und sie hatte von der geflüsterten Unterhaltung nichts verstehen können. Erst als sie von den Händlern erfuhr, was sich in Paris ereignet hatte, war ihr aufgegangen, was sie beobachtet hatte. „Du hast den Mann vergeblich geopfert.“
„Schade.“ Brunichild schloss kurz die Augen.
„Ist das alles?“, fragte Aletha leise. „Schade, dass er in Stücke gehackt wurde?“
Langsam öffnete Brunichild die Lider und schaute Aletha eindringlich an.
„Du verurteilst mich, nicht wahr? Aber verstehst du denn nicht? Gailswinthas Ermordung ist immer noch ungesühnt. Guntram tut nichts, um seinen eigenen Schuldspruch durchzusetzen. Sollen Chilperich und Fredegund ungeschoren davonkommen? Findest du das richtig?“
Einen Augenblick offenbarte Brunichild ungehemmt all den Hass, der bereits so lange in ihr wütete. Sie war bleich geworden, und ihre sonst so lieblichen Züge verhärteten sich. Eine steile Falte entstellte ihre Stirn
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