Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
sie daran.
„Bleib sitzen. Bloß keine Umstände. Ich habe gehört, dass du hier bist.“ Brunichild ließ sich einen Stuhl bringen und winkte die Mägde hinaus. „Das trifft sich gut. Ich denke, wir werden einige Zeit in Chalon bleiben, da kann sich Felix freuen, dich vorher noch zu sehen.“
„Wieso Chalon?“, fragte Aletha ruhig, ohne sich die plötzlich aufkommende Besorgnis anmerken zu lassen. Wieso Chalon?, wiederholte sie in Gedanken. Wieso hat mir keiner der Händler etwas von Chalon erzählt?
„Hat dir Wandalenus nicht Bescheid gesagt, als er Felix abholte?“
Missvergnügt verzog Wandalenus das Gesicht. „Hätte ich das tun sollen? Warum?“
„Mütter, Wandalenus, wollen immer wissen, warum man ihnen die Kinder aus den Armen reißt. Es genügt nicht, einen Jungen wie Felix an den Hof zu befehlen“, erklärte Brunichild scharf.
Aber genau das hast du getan, dachte Aletha, und nicht zum ersten Mal. Und wahrscheinlich hast du Wandalenus zu verstehen gegeben, dass er besser für sich behält, um was es diesmal geht.
„Guntram hat zur Beerdigung seines letzten Sohnes nach Chalon eingeladen. Die Grabkirche ist fertig. Ich habe nicht gewusst, dass er eine in Chalon baut.“
Guntrams Sohn war bereits vor einigen Monaten gestorben, irgendwann Anfang des Winters, und wie üblich nur vorläufig beigesetzt worden. Niemand hatte damit gerechnet, dass Guntram so rasch bereit war, die offizielle Grablegung zu zelebrieren. Oft fand das Ereignis erst lange Jahre nach dem Tod statt. Sigibert war immer noch unbestattet, das hieß, sein Leichnam harrte in der Gruft einer unbedeutenden kleinen Kirche der Ehren, die einem verstorbenen König zustanden.
„Eine Kirche gab es dort schon vorher“, mischte sich Wandalenus ein. „Er hat sie nur ausgebaut.“
„Danke, dass du mich darauf hinweist“, erwiderte Brunichild trocken. „In Rouen waren die Nachrichten über das, was sich in den Ländern meiner Schwager tat, eher spärlich.“
Wandalenus hatte zusammen mit anderen comites einige Anstrengungen unternommen, Brunichild in ein Kloster abzuschieben, nachdem ihr die Flucht aus Rouen gelungen war. Aber mit Unterstützung Gogos, der schon immer auf ihrer Seite gestanden hatte, war es ihr gelungen, die Regierung zu übernehmen. Der ehrgeizige Wandalenus spielte nur eine unterordnete Rolle im Rat, mühte sich aber redlich, Einfluss auf die Königin zu gewinnen. Bisher mit mäßigem Erfolg. Über seine Herkunft wusste Aletha nicht viel. Seine Familie stammte aus dem Süden, es hieß, sie sei aus Italien eingewandert und gehöre einem der vielen Volksstämme an, die ursprünglich weit aus dem Osten kamen. Hier in Franken zählte eine derartige Herkunft nichts mehr, wenn sie länger als ein oder zwei Generationen zurücklag. Der Vater hatte sich am Hof hochgedient.
Aletha mochte Wandalenus nicht, es war eine instinktive Abwehr, die sich bei ihr regte, sobald sie ihn sah. Auch jetzt wieder. Viel zu aufdringlich ließ er den Blick über ihre Gestalt gleiten und starrte ihr schließlich auf die Brust, während seine Miene keine Regung zeigte.
„Dann reist du also nach Chalon“, sagte Aletha zu Brunichild und drehte sich so, dass der Mann aus ihrem Blickfeld verschwand. „Und du nimmst Bertho mit?“
„Und Felix.“
„Du brauchst keine Angst um ihn zu haben, er ist ja bei mir“, mischte sich Bertho eifrig ein und drückte heftig ihren Arm. So viel ungewohnter Ernst und Aufrichtigkeit lagen in seinem kindlichen Blick, dass Aletha unwillkürlich gerührt war. Sie küsste den kleinen König auf die Wange, aber das nahm er wohl als Angriff auf seine Würde. Er trat einen Schritt von ihr zurück. „Du musst mir glauben, er ist doch mein anstrustio . Nicht nur die Gefolgsleute sind für den König da, sondern er muss sich auch um sie kümmern. Das stimmt doch, Gogo, nicht wahr? Du hast es mir erklärt. Und so mach ich’s auch. So wahr ich hier stehe.“ Strahlend schaute er zu dem alten Haudegen auf.
Dux Gogo war der wichtigste Gefolgsmann seines Vaters gewesen. Daher hatte Bertho unbegrenztes Vertrauen zu ihm und verhielt sich ihm gegenüber folgsamer als gegenüber allen anderen, die über ihn zu bestimmen hatten. Wenn überhaupt jemand, dann war Gogo Ersatzvater und Vorbild für ihn. Aletha war froh, dass der Herzog Bertho hin und wieder in die Schranken wies und Felix damit das Leben erleichterte. Die meist grimmige Miene, entstellt zudem durch ein trübes, blindes Auge, täuschte darüber hinweg, dass Gogo
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