Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wunderte sich, warum sie eine solche Gans gewesen war. Nein, für sie war das Schmuckstück nicht gedacht. Aber für welche seiner wechselnden Geliebten? Hatte sie eine übersehen, die eine solche Gabe wert war?
„Vergiss den Gürtel, vergiss die Truhe. Alles, was sich darin befindet, ist Diebesgut.“
„Und wem hast du das ganze Zeug gestohlen?“
Chilperich schnaubte, während seine Wangen vor Ärger rot anliefen. Irritiert versuchte Fredegund, aus ihm schlau zu werden. Es wäre nicht der erste Diebstahl gewesen, den er beging, allerdings hielt er sich für gewöhnlich nicht mit solchem Kleinkram auf. Warum dann das Getue?
„Ich?“ Mit einer ausladenden Geste deutete Chilperich auf seine Brust. „Nein, ich nicht. Aber darüber rede ich nicht mit dir.“
Jetzt war sie ernsthaft beleidigt. „Wie du willst. Morgen breche ich nach Chalon auf. Du kommst wirklich nicht mit? Ist das klug?“
„Chalon? Wieso nach Chalon?“ Er rieb sich das Gesicht.
Fredegund warf einen Blick auf die Truhe und vergewisserte sich, dass sie kein Schloss besaß. Das machte die Sache einfacher.
„Hast du die Beerdigung von Guntrams Sohn vergessen? Einer von uns muss daran teilnehmen. Du denkst doch nicht daran, Merowech hinzuschicken?“ Hatte Merowech nicht behauptet, dass er nach Chalon wollte? „Und was ist mit dem Aufstand in Poitiers?“ Merowech hatte sich geweigert, gegen die Stadt vorzurücken, und weilte immer noch in Paris.
„Er bleibt vorerst hier, ich habe meine Pläne für ihn geändert.“ Genau wie Fredegund starrte Chilperich auf die Truhe.
„Vor einer Woche warst du noch erpicht darauf, dass er den Aufruhr in Poitiers beendet. Was hat dich umgestimmt?“, fragte sie leidlich freundlich.
Chilperich senkte den Kopf, ein Schatten glitt über seine Miene, er zeigte Anzeichen von Verstörtheit. Wie um einen schlechten Gedanken loszuwerden, rieb er sich über die Stirn. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Ich muss erst mit mir selbst ins Reine kommen, bevor ich es dir sage.“ Er stöhnte gequält auf, ließ sich in einen Armlehnstuhl sinken und starrte vor sich hin.
Welche Nachricht war schrecklich genug, ihn derartig aus der Fassung zu bringen? Fredegund wartete einen Augenblick, als er aber nicht mehr aufblickte, verließ sie ihn leise. Es schien ihr besser, ihn in dieser seltsamen Stimmung allein zu lassen, vor allem hatte sie vor ihrer Abreise noch manches zu erledigen.
In der Nacht verbrachte sie zwei Stunden mit Bischof Bertram von Le Mans, einem ihrer Liebhaber, von dem höchstwahrscheinlich ihr jüngster Sohn stammte, aber so genau wollte es keiner von beiden wissen. Leider gab sich Bertram nicht besonders auskunftsfreudig. Er teilte ihr lediglich mit, dass Bischof Praetextatus in Schwierigkeiten geraten war. Warum, darüber schwieg er sich aus, wirkte aber irgendwie mitgenommen, ähnlich wie Chilperich. Die Synode schien keinen erfreulichen Verlauf zu nehmen. Aber warum sollte sie auch? Als weiteres Nachbohren ihn nicht gesprächiger machte, widmete sie sich lieber einem anderen Vorhaben. Mit Bertram zu schlafen, bedeutete, ihre wichtigste Waffe im Kampf um die Macht scharf zu halten.
Am nächsten Morgen brach sie in der Frühe mit ihrem Gefolge auf. Zu ihrem Verdruss hatte Chilperich ihr verboten, einen ihrer Söhne mitzunehmen. Das hielt er für zu gefährlich, und sie fragte sich, warum. Niemand würde einem ihrer Söhne etwas antun, solange er ältere Brüder hatte. Sichtlich in Gedanken, verabschiedete sich ihr Gemahl von ihr, strich ihr über die Wangen und drückte sie kurz an sich.
„Kommst du nach, sobald die Synode vorüber ist? Du weißt doch, wie endlos lang die Feierlichkeiten bei Guntram dauern“, sagte sie.
Er antwortete nicht, sondern schielte an ihr vorbei zu Merowech, der zwei schwer bewaffnete Krieger an seiner Seite hatte. Beschützen sie ihn oder bewachen sie ihn?, fuhr es Fredegund durch den Kopf. Ihr konnte es gleichgültig sein. Ohne allzu viel Bedauern verabschiedete sie sich von der Aussicht, ihm eventuell in Chalon zu begegnen, wo es ihr unzweifelhaft gelungen wäre, ihn zu verführen. Einen kleinen Trost nahm sie immerhin mit: den Gürtel, den Chilperich ihr nicht freiwillig hatte überlassen wollen.
3
Diesmal hatte Chilperich sich in ein schwarzes, kuttenähnliches Gewand gehüllt und rief in dieser Aufmachung erhebliches Befremden bei den Bischöfen hervor, wie er ihren Mienen entnehmen konnte. Die meisten
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