Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
Vom Netzwerk:
hatten allerdings auf jedweden Prunk verzichtet, und nur Bertram trat juwelenbehängt in einem Prachtgewand auf und ließ sich mit dem Gehabe eines Großfürsten auf seinem Sitz nieder.
    Kaum war die Sitzung eröffnet, ließ Chilperich den Bischof von Rouen unverzüglich vorführen, eskortiert von bewaffneten Kriegern, die sich erst zurückzogen, als der alte Mann die Mitte der Sitzreihen erreicht hatte. Gregor deutete auf den Platz neben sich. Unsicher tappte Praetextatus darauf zu, blickte zum König hinüber und nahm Platz.
    Kampfbereit stand Gregor auf. „Wirst du die Anklage gegen ihn aufrechterhalten?“, wandte er sich an Chilperich.
    „Auch wenn es mir schwerfällt“, antwortete Chilperich und nickte bedächtig.
    „Schwerfällt?“, giftete Gregor. „Dann lass den lächerlichen Vorwurf des Diebstahls fallen. Niemand hält Praetextatus eines gemeinen Diebstahls für fähig, und was deine Anklage betrifft, er habe Aufruhr oder Hochverrat ...“
    „Genug!“, donnerte Chilperich unerwartet. „Ich werde dich gleich eines Besseren belehren.“ Die Truhe stand wieder auf dem Schemel. Langsam öffnete er sie, schlug den Deckel zurück und schaute stirnrunzelnd hinein. „Wo ...“ Er unterbrach sich.
    Der Gürtel war verschwunden. Diese Hexe, diese verdammte Hexe! Aufgebracht sah er zur bemalten Holzdecke über sich hinauf und rang um Fassung. Dann wandte er sich wieder der Truhe zu, drückte auf eine verborgene kleine Feder, löste so den Innendeckel und zog ein Blatt hervor, das dahinter steckte.
    „Dieses Schreiben ...“, begann er mit ausdrucksloser Stimme und erhob sich.
    „Betrifft es eine kirchliche Angelegenheit?“, unterbrach ihn Subdiakon Rikulf von Tours in aufreizendem Ton.
    „Noch ein Wort von dir, und ich lasse dich hinauswerfen“, sagte Chilperich ruhig und sprach weiter. „Diesen Brief hat mein Sohn Merowech verfasst, er ist grob in den Formulierungen und voller Rechtschreibfehler, aber das ist nicht das Entscheidende. Er ist kein Mann der Feder, und was er für ein Mann ist, könnt ihr gleich selbst entscheiden. Dieser Brief ist ein zärtliches Schreiben meines Sohnes an seine Ehefrau.“
    Chilperich starrte auf die urplötzlich zusammengesunkene Gestalt von Praetextatus. Getuschel erhob sich, aus den Mienen der übrigen sprach Ratlosigkeit oder Verdruss. Auch Bertram fragte sich, was diese Mitteilung bedeutete und was sie bei einer Gerichtssynode zu suchen hatte, aber dann erinnerte er sich, von einem Aufenthalt Merowechs in Rouen gehört zu haben. Hatte Praetextatus, dieser unberatene Esel, etwa ...? Er lauschte wieder. Chilperich war in die Mitte des Chors getreten und dort stehen geblieben, den Altar hinter sich. Auf einmal spiegelte sein Gesicht nur noch Qual.
    „Mein Sohn Merowech hat ohne meine Erlaubnis Königin Brunichild von Austrasien geheiratet, und Bischof Praetextatus hat die Trauung vollzogen.“
    Stille herrschte, eine ohrenbetäubende Stille, bis jemand „Blutschande“ flüsterte, allerdings laut genug, um gehört zu werden.
     „Mein Sohn“, erklärte Chilperich tonlos, „mein Sohn ist verführt worden. Dennoch: Er wusste, was er tat. Er hat sich mit der Erzfeindin meines Reichs verbunden, mit dem Segen des Bischofs. Bezweifelt jetzt noch jemand den Hochverrat? Wie oft kann ein Vater seinem Sohn verzeihen? Ich habe ihm oft vergeben, immer wieder, auch wider bessere Einsicht, aber alles, was er bisher getan hat, ist nichts gegen dies.“ Tränen schossen ihm in die Augen.
    Er konnte nicht weitersprechen und sank auf die Knie, während er ein unerträgliches Stechen in der Brust verspürte.
    Das macht er gut, dachte Bertram mit einer Spur Unbehagen. Da kam doch tatsächlich echtes Leid zum Vorschein. Das musste eine schwarze Stunde für Chilperich sein. Und dann dieses Trauergewand, das machte die Erschütterung noch überzeugender. Ging es wirklich nur um Merowech? Bertram entsann sich nun eines der vielen nächtlichen Gespräche mit Fredegund. Fredegund war zwar ein Luder, aber ein stets ein gut informiertes. Sie hatte einmal angedeutet, dass Chilperich in Brunichild verliebt gewesen war. Dann musste ihn diese Heirat doppelt treffen. Und was die Konsequenzen betraf ...
    Zitternd stand Praetextatus auf. „Ich habe nicht mehr getan, als zwei Menschen zusammenzugeben, die sich innig lieben“, nuschelte er und schaute sich flehend um. Seine ganze Torheit wurde in dieser Erklärung so offenkundig, dass Bertram angewidert seufzte. Und wie sollte es nun weitergehen?

Weitere Kostenlose Bücher