Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
ihn noch näher und dämpfte die Stimme. „Das könnte ich nur, falls du sie mal nackt gesehen hast, aber davon gehe ich nicht aus.“
Sie hat ein großes Muttermal oberhalb des rechten Knies, meinst du das mit deinem Beweis?, dachte Wittiges aufgebracht. Soll ich dir verraten, dass ich ihr erster Liebhaber war? Damals, vor elf Jahren, waren wir fast noch Kinder, und sie war eine ängstliche Braut auf dem Weg zu ihrer Hochzeit.
Wusste Merowech über ihn und Brunichild Bescheid? Wollte er das mit seiner Bemerkung andeuten? Sein Blick spiegelte Dummdreistigkeit, gepaart mit Zügellosigkeit, wie sie die meisten jungen Edlen am Hof von Metz kennzeichnete. Dennoch wurde Wittiges nicht gänzlich schlau daraus. Und diesen Hanswurst hatte Brunichild freiwillig geheiratet? Es war ein Witz, aber einer, den sich nicht einmal ein Wicht wie Merowech ausdenken konnte.
Bedächtig steckte Wittiges den Dolch ein, holte aus und versetzte Merowech eine gewaltige Ohrfeige, die diesen von der Bank fegte. „Falls du mich fragst, wofür das ist: dafür, dass du meine Königin beleidigt hast.“ Breitbeinig ging er in Kampfstellung, ganz und gar auf einen Angriff gefasst, er war geradezu versessen darauf. Eine wilde Wut in ihm verlangte nach Befriedigung.
Merowech wischte sich über das Gesicht und starrte abschätzend zu ihm hoch.
Dann rappelte er sich betont langsam wieder auf. „Unter anderen Umständen hätte ich dich erstochen, aber ich denke, wir sind quitt. Bei deinem Sohn muss ich mich allerdings bedanken, er kann verdammt gut mit der Schleuder umgehen.“
Das Gespräch war anstrengend, fand Wittiges, und das nach allem, was er hinter sich hatte. „Welcher Sohn?“
Verwundert schaute Merowech zu Ulf hinüber, der ein Stück entfernt am Feuer hockte, das mitten im Raum schwelte und dessen Rauch durch ein Loch in der Decke abzog.
„Das ist der jüngere Bruder meines Schmieds“, erklärte Wittiges barsch. „Ich wusste gar nicht, dass er mit der Schleuder ...“ Er verfügte selbst über einiges Geschick im Umgang mit der Schleuder, und er hatte Felix darin unterrichtet. Wahrscheinlich hatten die Jungen gemeinsam geübt.
Das Gespräch wurde erst ruhiger, als Wittiges von seiner Suche nach Felix erzählte. es störte ihn nur, dass Samur, der sich aus allem heraushielt, den Blick zwischen ihm und Ulf hin- und herschweifen ließ und dabei teuflisch grinste. Wittiges hätte sich bei ihm bedanken müssen, weil ihm der Aware mit einem Bogenschuss das Leben gerettet hatte, doch das brachte er beim besten Willen nicht über sich. Er vergaß es lieber.
9
Chalon wirkte merkwürdig still. Wittiges hatte mehr fliegende Händler auf den Straßen erwartet, mehr Radau von Kriegern, die die Königin zu den Trauerfeierlichkeiten begleitet hatten und nicht wussten, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen sollten. Es war später Nachmittag. Eine Frau leerte unmittelbar vor ihnen einen Kübel Unrat aus, schaute auf und glotzte sie an. Sie ritten weiter. Auch im Palastbezirk, der nahe am Fluss lag, tat sich nicht viel.
„Wartet hier“, sagte Wittiges beunruhigt, saß ab und ließ die anderen in einem der Stallhöfe zurück. Eine Weile irrte er durch die verschiedenen Trakte des Palasts, aber dann traf er auf einen referendarius , einen Verwaltungsbeamten, der ihm die merkwürdige Stille erklärte. Wittiges kehrte zu Merowech und Samur zurück, die er mitten im Hof mit einem Stallmeister plaudernd antrat.
„Wir wissen Bescheid“, rief ihm Merowech entgegen. „Alle sind abgereist, die Feier ist vorüber, und Guntram hat sich in ein Kloster zurückgezogen.“
„Es sind nicht alle abgereist“, widersprach der Stallmeister und winkte einem Knecht, der ein aufgezäumtes Pferd aus dem Stall herausführte. „Königin Fredegund ist noch da und ... da kommt ihre Tochter, sie will ausreiten.“
Das junge, rothaarige Geschöpf im kurzen Reitumhang, das, gefolgt von mehreren unglücklich dreinschauenden Kriegern, in den Hof stürmte, blieb stehen. Merowech machte eine hastige Bewegung, als wollte er sich hinter Wittiges verstecken, aber dieser trat beiseite und gewährte dem Mädchen volle Sicht auf den Mann neben ihm.
„Merowech!“, rief das Mädchen. „Was machst du hier?“ Langsam kam sie näher. „Und ... und ... stimmt das, dass du Brunichild geheiratet hast? Stimmt das wirklich? Mutter ist außer sich vor Wut. Wie konntest du nur!“
Sie sieht ihrer Mutter wirklich sehr ähnlich, dachte Wittiges.
Merowech trat auf das Mädchen
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