Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
tiefer Friede schwebte über dem Land, das in den Farben des Hochsommers glühte: im Blau, Gelb und Rot der wilden Blumen am Wegrand, aber vor allem in edelsteinfarbenen Grüntönen, die die Sonne mit ihren intensiven Strahlen anzufachen schien und wie von innen heraus leuchten ließ. Sein Land hielt ein Fest für die Augen bereit, und er dachte nur daran, dass er nach der völlig fehlgeschlagenen Suche nach Felix wieder als Versager heimkehrte.
Auf einer Wiese in der Talsenke beluden Knechte und Mägde in aller Hast einen Heuwagen. Einer der Knechte bemerkte den Reitertrupp, machte die anderen darauf aufmerksam, aber schon wandten sich die Leute wieder der Arbeit zu. Etwas trieb sie zur Eile an.
Es war sehr schwül, merkte Wittiges.
Schwalben, die sonst nicht hoch genug fliegen konnten, schossen knapp über der Erde hin und her, ein untrügliches Zeichen für Unheil.
Am Horizont zeigte sich eine dunkle Linie, die rasch an Tiefe gewann. Schwarze Wolken wuchsen empor, blähten sich auf, jagten ins tiefe Blau des Sommerhimmels.
Auf einer Weide neben der Heuwiese erhoben sich eine nach der anderen die Kühe aus dem Gras, während der junge Ochse, der den Heuwagen ziehen sollte, unruhig am Geschirr zerrte. In der Luft lag eine knisternde Spannung, der Wind frischte spürbar auf. Gewitter hatte Wittiges häufig genug erlebt, aber dieses heraufziehende Unwetter entwickelte sich wie von magischen Kräften angefacht. Der Ochse brach in die Knie, die Knechte begannen zu schreien, rissen hektisch am Geschirr und machten dadurch nur alles schlimmer.
„Helft den Leuten!“, befahl Wittiges den beiden Knechten, die ihn immer noch begleiteten. „Schirrt den Ochsen aus und spannt eure Pferde vor den Wagen.“ Nass gewordenes Heu faulte nur allzu leicht.
Die Kühe brüllten verstört.
Die Wolken hatten den Scheitelpunkt des Himmels noch nicht erreicht, teilten aber die Welt bereits in eine düstere nachtschwarze Hälfte und eine gleißend helle, deren Licht in die Augen stach.
Wittiges setzte seinen Weg allein fort, das Packpferd, das einer der Knechte am Zügel geführt hatte, nahm er mit.
Die ersten Regentropfen klatschten herab, während er an der Hausweide entlangritt. Die blauen Pferde stoben, aufgepeitscht von der Gewitterstimmung, in einem atemberaubenden Tempo über das Gras, ihre Körper hoben sich von dem dunklen Hintergrund ab, wurden von einem Licht umflossen, das von irgendwoher aus der Überwelt zu kommen schien. Mehr denn je erinnerten sie an die magischen Rösser alter Götter. Wittiges war versucht, sich nach Samur umzuschauen, den er aber in Metz wusste, und dennoch sträubten sich beim Gedanke an ihn und beim Anblick der blauen Pferde die Nackenhaare.
Der Wind peitschte ihm den Regen scharf ins Gesicht, nach wenigen Augenblicken war er völlig durchnässt. Im Stallhof warf er einem herbeieilenden Knecht aufs Geratewohl die Zügel zu und hastete zum Haus. Über ihm begann sich das Gewitter zu entladen, und er war sich nur allzu bewusst, dass es eine Spiegelung großen Unheils sein musste.
Abgesehen vom Brausen des Winds wirkte das Haus seltsam still, dunkel und verlassen.
Im Säulenumgang vor dem großen Empfangsaal zündete eine junge Frau eine Laterne an. Das Oberteil ihres Kleids schmiegte sich wie nasses Leinen eng um den Körper.
Wittiges rannte auf sie zu und prallte mit ihr zusammen, als sie sich umwandte.
Es war Viola!
„Wittiges! Du bist zurück!“
Ungeniert schlang sie die Arme um ihn und drückte sich an ihn. Einen Moment hielt er sie fest, verwirrt von der plötzlichen Nähe. Genau das hatte er immer vermeiden wollen.
„Kein Licht, viel zu gefährlich hier draußen“, raunzte er sie scharf an.
Die Laterne schwankte heftig unter den Windstößen, die in den Umgang fuhren. Obwohl der Abend noch gar nicht hereingebrochen war, war es inzwischen fast so finster wie in der Nacht.
Geblendet von einem grellen Blitz, schloss Wittiges kurz die Augen. Als der Donner krachte, klammerte sich Viola vor Schreck wieder an ihn, er roch ihr Parfüm, spürte erneut ihren nachgiebigen Körper, während ihr Haar seine Wange kitzelte. Ein zweiter Blitz tauchte sie beide in Licht, er sah in ihre tiefblauen, schimmernden Augen, die irgendetwas in ihm auslösten, bevor es ihm gelang, die junge Frau von sich zu schieben.
„Wo ist Aletha? Wie geht es ihr?“, stieß er hervor.
„Komm!“ Sie fasste ihn einfach an der Hand und wollte ihn mit sich ins Haus ziehen.
„Warte, das Licht!“ Er
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