Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
löschte die Laterne.
Aletha lag auf einer Liege mit erhöhtem Kopfteil, trotz der sommerlichen Temperaturen in eine Wolldecke gehüllt. Er hockte sich auf die Kante und nahm sie behutsam in die Arme.
„Du hast Felix nicht mitgebracht“, sagte sie leise.
„Nein, ich musste die Suche abbrechen. Es tut mir leid. Brunichild hat mich gezwungen, sie nach Metz zu begleiten. Ich komm jetzt von dort. Und du? Wie geht es dir?“ Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und genau wie bei Felix, wenn er sich nicht wohlfühlte, waren sie von dunklen Schatten umgeben. Aletha hatte sich von der Fehlgeburt noch nicht erholt. Aber sie lebte, vor allem das zählte. Dankbar drückte er sie an sich und spürte beklommen, um wie viel schmaler und zarter ihr Körper geworden war.
„Es geht mir gut. Aber hast du denn gar nichts herausgefunden? Ich dachte ...“ Sie schluchzte auf.
„Still!“ Er legte ihr einen Finger auf den Mund. „Später, wir reden später darüber.“
Ein Krachen und Donnern ließ sie beide zusammenzucken. „Ich muss hinaus und nachsehen, was das Gewitter anrichtet. Bleib hier, hörst du?“ Als er sich umschaute, entdeckte er Viola, die sie mitleidig beobachtete. „Wo ist Pontus?“
„Irgendwo draußen“, antwortete sie ruhig. „Alle sind irgendwo draußen.“
Das Weinen eines kleinen Kindes drang leise zu ihnen, vielleicht war es auch das Schreien einer Katze. Wittiges stand auf.
Draußen im Hof fegte der Sturm Ziegel vom Dach, die laut scheppernd beim Aufprall zerbrachen.
„Bleibt im Haus“, rief er den Frauen zu und eilte ins Freie. Als er hörte, dass Viola ihm folgte, drehte er sich zu ihr um und machte ihr mit einer Handbewegung klar, sie solle zurückbleiben. Aber sie schüttelte nur eigensinnig den Kopf und blieb ihm auf den Fersen.
Pontus traf er im Stallhof. „Die blauen Pferde sind aus der Weide ausgebrochen, und die Falben sind ihnen gefolgt. Wir müssen ihnen nach. Gut, dass du da bist, hab es schon gehört“, rief dieser kurzatmig, sein Bauch unter der braunen Kutte bebte vor Erregung. Kurz umarmte Pontus ihn, stieß ihn aber sofort wieder von sich. „Du bist ja klatschnass!“
„Dann brauch ich mir ja wegen des Regens keine Sorgen mehr zu machen.“
„Was will sie hier?“ Pontus deutete auf die Gestalt hinter Wittiges.
Viola zog gerade ihren Rock zwischen den Beinen durch und stopfte ihn sich vorn in den schmalen Gürtel, der ihr Gewand zusammenhielt.
„Was tust du da? Geh zurück zu Aletha. Kümmere dich um sie“, befahl ihr Wittiges.
„Glaub mir, sie kommt allein zurecht. Sie ist stärker, als du denkst. Ich begleite euch, die blauen Pferde vertrauen mir. Wenn sie überhaupt einem Menschen folgen, dann mir.“
„Ich pfeif auf die Pferde“, schimpfte Wittiges und packte Viola unversehens an den Schultern, um sie umzudrehen und ihr einen Schubs in Richtung aufs Haus zu geben, aber sie riss sich los. Als er wieder nach ihr greifen wollte, tauchte schreiend und gestikulierend ein vor Nässe triefender Knecht auf und fiel ungeschickt vor Wittiges auf die Knie, denn er war auf dem nassen Boden ausgerutscht. Der Regen rauschte nun in dicken Schwaden herein und überschwemmte den Hof. Wittiges fasste den Mann unter die Achseln und zog ihn auf die Füße.
„Was hast du gesagt?“ Im Getöse des Sturms und abgelenkt von Viola hatte er kein Wort des Geschreis verstanden.
„Draußen im Wald, oberhalb der Straße“, sagte Pontus, „irgendetwas ist da.“
Vielleicht die Pferde.
Es blieb keine Zeit für lange Erklärungen, sie holten nur noch rasch ihre Waffen und eilten zurück in den Stallhof. Viola stand neben einem gesattelten Pferd.
„Du bleibst hier!“, fuhr Wittiges sie an. Ein Knecht hielt ihm die Zügel einer Stute hin.
Viola hing das Haar strähnig ins Gesicht, sie hatte sich voll und ganz in das aufsässige Geschöpf verwandelt, das sie bereits als Kind gewesen war. Entnervt gab Wittiges seinen Widerstand auf.
Im strömenden Regen kam ihnen der schwankende Heuwagen entgegen. Ein Junge trieb die blökenden Kühe zum Stall. Die Gruppe um Wittiges zwängte sich an ihnen vorbei und alle beugten sich tief über die Rücken der Pferde, wussten sie doch nur zu gut, wie gefährlich es war, sich mitten im Toben der entfesselten Gewalten draußen zu befinden.
Nicht weit von ihnen entfernt fuhr ein Blitz in eine Weide am Wegrand und setzte den Baum in hoch auflodernde Flammen. Der nachfolgende Donner machte Wittiges fast taub. Oben im Wald peitschten ihnen
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