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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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Es war also letztlich der Bär gewesen, der den Ärmsten getötet hatte.
    Mittlerweile klang der Donner nicht mehr ganz so laut, und die Abstände zwischen den grellen Blitzen und dem Krachen dehnten sich aus. Das Schlimmste schien überstanden. Sie legten den Toten, in Wittiges’ Umhang gewickelt, hinter dem Sattel des Knechts über den Pferderücken und schickten den Knecht zur Villa, während Wittiges und Pontus nachsehen wollten, welche Schäden das abziehende Gewitter angerichtet hatte. Später wollte Wittiges über das Wenige, das der Fremde hatte sagen können, nachdenken und vor allem den Knecht dazu befragen. Es war ja nicht ausgeschlossen, dass er mit dem Verletzten geredet hatte, bevor er sich auf die Suche nach Hilfe gemacht hatte.
    Fast die Hälfte des Korns war von Sturm und Regen auf den Feldern niedergewalzt worden, vor allem der ertragreichere römische Weizen. Der Weizen der alten Sorte, den man erst darren musste, damit sich die Spelzen lösten, hatte mit seinen robusteren Halmen das Unwetter besser überstanden. Es würde dennoch eine schlechte Ernte geben. Überall floss das Wasser in sprudelnden Bächen von den Äckern und riss die Krume mit sich. Es war ein einziger großer Jammer, die Mühen der Feldarbeit vernichtet zu sehen.
    „Die blauen Pferde !“, rief Viola auf einmal und deutete über ein Feld zum Waldrand hinauf. Sie hatte sich nicht mit dem Knecht zum Haus zurückschicken lassen. Jetzt trug sie ihre Messer offen in Lederscheiden am Gürtel, feuerte ihr Pferd an und ritt in scharfem Galopp den Hang hinauf.
    Wittiges schrie gegen den brausenden Wind an, um sie aufzuhalten. Aber Pontus setzte ihr nach, da blieb ihm auch nichts anderes übrig. Das Gewitter kehrte zurück. Der Donner wurde wieder lauter, die gezackten Blitze schossen in wilden Zuckungen vom Himmel.
    Die blauen Pferde verschwanden im Wald. Wittiges fluchte, während er hinter den beiden anderen her den Hang hinaufjagte.
    Kaum hatte er die Kuppe erreicht, preschten die Pferde aus dem Wald hervor, Viola trieb sie vor sich her. Wittiges’ Stute stieg, halb wahnsinnig vom Sturm, schrill wiehernd auf die Hinterhand. Er riss sie hart an den Zügeln, damit sie rückwärts ausweichend, den anderen den Weg freigab. Unverhofft stürmte die kleine Herde der Falben hinter den blauen Pferden her, grell beleuchtet von einem Blitz, der sich schräg über ihnen entlud. Die Pferde mussten Schutz im Wald gesucht haben, das Beste, was sie tun konnten.
    Wittiges verfluchte Viola und ihren Wahnsinn, der sie alle in neue Gefahr gebracht hatte. Ihr aber schien weder die Gefahr noch das Unwetter etwas auszumachen. Mit nackten Fersen hieb sie auf die Flanken ihres Pferds ein, schwang einen Arm kreisend in der Luft und schrie gegen den Sturm an. Unwillkürlich bewunderte Wittiges sie, ihren Wagemut, ihre Furchtlosigkeit, die er so noch nie bei einer Frau erlebt hatte.
    Als sie den Stallhof erreichten, eilten ihnen ein paar Knechte entgegen und scheuchten die Pferde in den sicheren Stall. In dem Augenblick, als sich Wittiges aus dem Sattel schwang, schlug ein Blitz in eine der Scheunen ein, die den Stallhof säumten. Fast augenblicklich stieg eine Flammensäule empor. Es war also noch nicht vorbei.
    Wittiges riss Viola vom Pferd und stieß sie aufs Haus zu. „Hol alle Mägde zusammen, wir müssen eine Eimerkette bilden.“ In der Scheune lagerten bereits überlebenswichtige Vorräte für den Winter. Viola schüttelte sich das Wasser aus den Haaren, hob in einer seltsam beschwörenden Geste die Arme hoch über den Kopf, und wie zur Antwort rauschte ein so gewaltiger Regen herab, dass die Flammen in zischenden Dampfwolken erloschen. Für Wittiges löste sich die Wirklichkeit auf.
    Mit einer Hand langte er nach der Frau und zog sie an sich.
    „Wer bist du?“, fragte er heiser.
    Sie aber lachte nur und küsste ihn auf den Mund, bevor sie sich abwandte und über den Hof davonrannte, während er ihr nachstarrte und sie aus ganzem Herzen verwünschte.
    Das Unwetter tobte die halbe Nacht, niemand ging schlafen. Wittiges und Pontus teilten Hausdiener als Feuerwachen ein, die sie in den verschiedenen Höfen der Villa postierten, während für die Feldarbeit zuständige Knechte die Wache im Wirtschafts- und im Stallhof übernahmen. Bei einem Blitzeinschlag sollten sie sofort Alarm geben. Darüber hinaus wollten Wittiges und Pontus in Abständen Kontrollgänge durchführen.
    Nachdem Wittiges sich endlich gewaschen und trockene Kleidung angelegt hatte,

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