Der Hüter des Schwertes
Die rallorischen Kriege? Die im Lauf der letzten sechzehn Jahre Tausende von Menschen das Leben gekostet haben? Wir waren damit etwas zu beschäftigt, um unseren Kindern die Legenden über irgendein Schwert in Norstalos zu erzählen.« Er hielt inne und merkte, dass er kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren. Aber wie konnte er einem Apfelhändler die Umstände erklären? Wie es war, nie zu wissen, ob man den Tag überleben würde. Warum hätte er sich darüber Gedanken machen sollen, oder sich sogar dafür interessieren, was in einem anderen Land geschah?
»Also schön, ich werde es Euch erzählen«, verkündete Berne und machte es sich bequem. »Zu König Riels Zeit war Norstalos von allen Seiten bedroht. Wir hatten gerade begonnen, den Norden zu erkunden – und stießen auf die Kobolde, die dort lebten. Die Leute aus Tetril unternahmen Plünderzüge auf unserer Seite der Grenze, die Berellianer waren eine ernste Sorge. Aber das Schlimmste war, dass die Hälfte der Adligen sich weigerte, die Krone anzuerkennen und Abgaben zu leisten. Stattdessen stellten sie eigene Heere auf und regierten ihre eigenen kleinen Lehen. Dann bewahrte König Riel einen Drachen davor, von den Kobolden getötet zu werden, und alles änderte sich. Die Drachen gaben ihm das magische Drachenschwert. Viele behaupten, es habe die Macht, den Frieden in Norstalos zu wahren, aber ich für meinen Teil halte das für unwahr. Ich glaube eher, dass seine Macht viele Männer inspiriert, das Richtige zu tun. Jedenfalls haben die Adligen sich König Riel damals wieder angeschlossen, um die Kobolde für ihr entsetzliches Verbrechen zu bestrafen, und die Macht der Krone strahlte in hellerem Glanz als je zuvor. Im Hügelland des fernen Nordens fanden wir Gold und ertragreiches Ackerland. Unser Wohlstand nahm zu und war dauerhaft, und damit gingen auch Frieden und Sicherheit einher. Der König hatte Geld, um ein großes Heer auszubilden und es zu bezahlen, um uns zu beschützen. Und das alles wegen des Drachenschwertes. Riel starb kurz darauf, gab die Regeln für das Schwert jedoch an seinen Sohn weiter …«
»Ja, und ich bin mir sicher, dass sie sehr interessant sind«, unterbrach ihn Martil. Er wollte doch keine Einzelheiten hören, für die niemand, am wenigsten er selbst, jemals irgendwelche Verwendung haben würde! »Jedenfalls, warum macht Ihr Euch deswegen solche Sorgen? Euer Heer ist immer noch das größte des Kontinents, und niemand wird es wagen, in Euer Land einzufallen«, gab er zu bedenken.
»Die Schwierigkeiten werden nicht von außen, sondern von innen kommen. Es gäbe kein Problem, wenn Herzog Gello das Schwert gezogen hätte, aber es hat sich ihm verweigert. Er hat also ebenso wenig die Möglichkeit, jemals die Magie des Schwertes aufzurufen, wie ich die Möglichkeit habe, mir Flügel wachsen zu lassen.«
»Was ist Magie?«, fragte Karia und unterbrach die plötzlich eingetretene Stille. Martil sah es schon kommen; dies würde ein langes Mittagessen werden. »Diese Frage zu beantworten, würde zu lange dauern. Berne muss seine Reise fortsetzen und wir auch«, sagte er hastig.
»Oh, ich habe alle Zeit der Welt. Diese Äpfel sind ohnehin noch nicht richtig reif«, sagte er lächelnd.
Trotz Martils Einwänden begann er ganz genau zu beschreiben, wie Magie funktionierte. Pater Nott hatte etwas gesagt, das Karia in Verbindung mit Magie brachte, aber Martil glaubte nicht daran. Die Fähigkeit, Magie zu üben, war eine seltene Gabe. Vielleicht einer von tausend hatte diese Macht, und das hieß immer noch nicht, dass er damit irgendetwas anfangen konnte.
»Jeder von uns trägt Magie in sich. Es ist die Kraft, die uns nährt, die uns beim Wachsen, Atmen, Lieben und Sehen hilft. Wenn etwas geboren wird, kommt ein kleines bisschen Magie ins Spiel, um es zum Leben zu erwecken. Wenn das Lebewesen wächst, nutzt es weitere Magie, und wenn es stirbt, gibt es die Magie wieder an die Welt zurück, die sie dazu nutzt, etwas anderes zu erschaffen. Es ist alles ein Kreislauf, ein großer Kreislauf. Aber Magienutzer – oder Zauberer oder Magier, wie man sie auch nennen mag – haben eine Möglichkeit, diese rohe Magie zu ergreifen und sie auf unterschiedlichste Art zu verwenden.«
»Wie?«, wollte Karia wissen.
Berne lächelte. »Magie ist eine natürliche Kraft, die durch die Welt fließt. Sie kann den Wind wehen oder diesen Apfel wachsen lassen. Man kann lernen, wie man sich diese Magie zunutze macht. Zauberer studieren Pflanzen, das
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