Der Hüter des Schwertes
Überheblichkeit.
»Wenigstens müssen wir uns keine Sorgen wegen der Berellianer machen. Wenn die Rallorer sie besiegen konnten, dann sollte es reichen, wenn wir ihnen zwei Großmütter auf den Ponys meiner Tochter entgegenschicken«, verkündete ein fetter Bauer, und die Männer um ihn herum lachten ausgelassen.
Martil musste ins Brot beißen, um sich davon abzuhalten, etwas zu sagen. Er erinnerte sich an die berellische Garde; es waren Männer in guten Rüstungen gewesen, mit Speeren und großen Schilden bewaffnet. Diese Männer hatten den Rallorern gezeigt, dass Kampfgeist und Begeisterung allein gegen eine gute Ausbildung und Disziplin nicht bestehen konnten. Dann gab es noch die Axtkämpfer, riesige Männer, die massive, zweischneidige Äxte führten. Die Berellianer setzten sie ein, um Breschen in die Front ihrer Gegner zu schlagen, damit kurz darauf die Garde mit Speeren angreifen konnte. Martil konnte sich noch an seine erste Schlacht gegen sie erinnern. Mit ihren hohen Helmen hatten die Axtkämpfer wie Riesen ausgesehen. Und niemand stellte sich ihnen gerne in den Weg. Wie sollte man sich gegen einen Mann verteidigen, der eine gewaltige Axt schwang? Allein der Anblick dieser Männer war furchteinflößend gewesen. Selbst jetzt schauderte Martil, als er sich an den ersten erinnerte, den er getötet hatte. Er war in der dritten Reihe gewesen und hatte sich relativ sicher gefühlt. Dann hatte er mit ansehen müssen, wie die Axtkämpfer die ersten zwei Reihen rasch durchbrachen, als würden sie Kinder zur Seite fegen. Ein großer Mann hatte weit ausgeholt und seinen Hieb auf Martil gezielt. Er hatte seinen Schild hochgerissen, und die Axt hatte das Holz zerschmettert; der Metallplatte darunter hatte er es zu verdanken, dass er seinen Arm nicht verlor. Er hatte den zerstörten Schild weggeworfen und war mit einem Sprung dem nächsten Hieb ausgewichen. Der Rest seines Regiments hatte sich zerstreut, er jedoch war nur noch darauf bedacht gewesen, am Leben zu bleiben. Dann hatte er ein Schwert aus dem Boden ragen sehen, das ein Kamerad fallen gelassen hatte. Er hatte es herausgezogen und mit zwei Schwertern weitergekämpft. Ein angetäuschter Schwerthieb war der Schlüssel zu seinem ersten Erfolg gewesen. Der Axtkämpfer hatte ihn instinktiv abgewehrt, sodass es ihm möglich wurde, ihm das andere Schwert in den Hals zu rammen. In diesem Augenblick war seine Angst von ihm abgefallen; es hatten sich Überlebende um ihn geschart, bis schließlich ungefähr sechzig Männer zusammen gewesen waren. Sie hatten es geschafft, sich aus dem Gemetzel zu retten, das Hunderte ihrer Landsleute das Leben gekostet hatte.
Dieser Tag hatte sein Leben verändert und ihm geholfen, einen Krieg zu gewinnen, der schon Jahre angedauert und unzählige Leben gekostet hatte. Und jetzt machten sich diese dummdreisten Bauern darüber lustig.
»Ich würde gerne sehen, wie ihr versucht, sie aufzuhalten«, murmelte Martil.
»Was hast du gesagt?«, meldete sich Karia zu Wort.
Martil versuchte zu lächeln. »Ich hab nur ein Selbstgespräch geführt. Wir gehen am besten gleich ins Bett. Morgen geht es früh los.«
Karia schien nicht traurig, das zu hören. Das machte ihn skeptisch. Er fand schon bald heraus, dass sein Misstrauen begründet war. Sie wollte schnell ins Bett, weil sie nicht nur ihr neues Nachthemd tragen, sondern auch all ihre Puppen darin schlafen legen wollte. Das tat sie derart kunstvoll, dass kein Platz mehr für Martil blieb.
»Du musst auf die andere Seite, damit ich auf dieser hier schlafen kann«, erklärte Martil und gestikulierte entsprechend.
»Aber in der Mitte ist es am gemütlichsten!«, jammerte sie.
»Rück wenigstens die Puppen zur Seite, damit für mich noch Platz ist«, beschwerte sich Martil. Nach seiner Erfahrung im Spatz und Krone freute er sich nicht besonders darauf, das Bett mit Karia zu teilen. Aber die einzige andere Möglichkeit war der Boden – und der war kalt und hart.
Nach viel Murren wurden die Puppen so hingelegt, dass sie nur noch das halbe Bett brauchten. Martil las eine Geschichte vor, in der es um den dritten Sohn eines Königs ging, der auszog, um eine Prinzessin zu retten, nachdem seine beiden älteren Brüder versagt hatten. Es war ein typisches Märchen, in dem es mehr auf den glücklichen Ausgang als auf Wirklichkeitstreue ankam, wie Karia es liebte.
»Jetzt musst du mir ein Lied vorsingen«, verkündete sie. »Pater Nott hat mir immer ein Lied vorgesungen. Ich kann sonst nicht
Weitere Kostenlose Bücher