Der Huf des Teufels (German Edition)
Lebensmittel so gut es ging verstaut und den Kühlschrank und den Fernseher angeschlossen hatte, ging sie noch einmal rüber zum Gestüt, um Pancake Gute Nacht zu sagen. Zu ihrer Verwunderung stand Sara vor Cleopatras Box und schaute stumm das regungslos verharrende Pferd an.
»Sara, hallo.«
»Oh, hallo, Shelly.«
»Was machst du?«
»Ach, gar nichts«, sagte Sara traurig. Shelly kam an ihre Seite.
»Magst du sie?«
»Wen?«
»Na, Cleopatra.«
Sara schien sich nicht ganz klar über ihre Gefühle zu sein.
»Doch, schon.«
»Warum gehst du dann nicht zu ihr rein?«
»Das wäre Selbstmord. Cleo … sie ist seit dem Unfall nicht geritten worden. Sie lässt keinen an sich ran.«
»Hmm. Darf ich es mal versuchen?«
»Lass das besser. Sie ist unberechenbar.«
»Sie scheint ganz ruhig zu sein«, meinte Shelly.
»Ja, aber sobald du die Box öffnest und zu ihr reingehst, dreht sie durch.«
Shelly steckte einen Arm durch das Gitter und hielt ihre Hand der Stute hin.
»Nicht«, flüsterte Sara ängstlich.
Cleopatra stand weiter mit gesenktem Kopf da, die Augen halb geöffnet, aber ein Ohr hatte sich zu Shelly gedreht.
»Ja, ja, du hörst mich. Du weißt ganz genau, was ich will. Hey, Cleo.« Shelly zog ihren Arm wieder heraus. »Ich würd gern versuchen, sie wieder zu reiten«, sagte sie zu Sara, ohne den Blick von dem Tier zu nehmen.
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es zu gefährlich ist. Und weil Papa es nicht will.«
»Ach so.«
»Ja, das hat ihn furchtbar mitgenommen damals. Und ich weiß, dass er Cleo die Schuld gibt.« Sara kämpfte mit den Tränen. Shelly schlang einen Arm um sie. Sofort drückte das Mädchen ihr Gesicht in ihre Armbeuge und weinte. »Papa hat verboten, dass irgendjemand sie reitet. Er will sie bestrafen. Alle nennen sie nur noch das Killerpferd. Aber es geht ihr nicht gut, es geht ihr einfach nicht gut.«
»Ich weiß«, raunte Shelly. »Dein Vater ist traurig und wütend. Manchmal muss man jemandem die Schuld geben.«
»Er wollte sie erschießen, aber das hab ich nicht zugelassen. Jetzt steht sie da und stirbt einfach so. Seit zwei Jahren schon. Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, sehe ich Licht hier drin. Papa steht dann bei Cleo und schaut sie an. Stundenlang. Stundenlang macht er das.«
»Weißt du was? Ich werde deinen Vater fragen, ob ich es versuchen darf. Manchmal ist es ganz gut, wenn man Hilfe von außen bekommt. Texas ist außen.«
Sara lachte. »Ja, das ist es wirklich. Du kommst mir auch wie ein Außerirdischer vor. Wie von einem anderen Stern.«
»Das höre ich heute nicht zum ersten Mal.«
Shelly sagte Pancake Gute Nacht, und dann gingen sie gemeinsam ins Wohnhaus. In Simons Arbeitszimmer brannte Licht, und man konnte das Summen eines PC s hören.
»Sara, bist du das?«, rief Simon.
»Ja, Shelly ist auch hier.«
Simon kam in den Flur.
»Shelly, brauchen Sie … brauchst du Hilfe bei irgendwas?«
»Nein, ich hab nur meinem Pferd Gute Nacht gesagt.«
»Verstehe. Und zu Hause? Bist du weitergekommen?«
»Ich musste so einiges organisieren. Und beim Einkaufen hab ich Max und Moritz getroffen. Die haben bald Prüfung?«
»Ja. Die zwei sind wirklich klasse. Die besten in der Gruppe.«
»Kann ich mir vorstellen. Du, immer wenn ich in der Box bin, sehe ich rüber zu dieser Stute, und ich hab gehört, dass sie etwas problematisch ist und schon ewig nicht mehr geritten wurde.«
»Wer hat dir das erzählt?«, fragte Simon mit einem Blick auf seine Tochter.
»Frau Zinnbacher und Herr Jülich. Sie wissen nicht genau, warum sie auf der Hinterhand lahmt.«
»Du kommst ja schnell mit Leuten ins Gespräch.«
»Ich würde sie gerne reiten.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte Simon und drehte sich weg. Er fummelte an einer Kommodenschublade herum, die nicht richtig schloss.
»Aber ich hab einen guten Draht zu Pferden. Und das Tier muss bewegt werden. Es sieht nicht gut …«
»Shelly? Ich möchte nicht, dass du sie reitest. Sie könnte dich verletzen. Und damit ist die Sache beendet. Kann ich sonst noch was für dich tun?«
Shelly hatte verstanden. So leicht würde sie nicht zu ihm durchdringen. Es tat ihr leid für Sara, die ganz klein und still neben ihr stand. Und für Cleo.
»Nein, danke, ich komme klar.« Sie wandte sich dem Ausgang zu und streichelte Sara leicht über den Rücken. »Ach so, eine Sache noch: Wisst ihr, wo ich gute Möbel kaufen kann? Euer Bett ist toll, aber ich will doch ein eigenes haben.«
Während Simon überlegte,
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