Der Huf des Teufels (German Edition)
über ihren Berg an Waren hinwegsehen. »Tut mir leid, Jungs. Gut, dass ihr es seid. Ich werd hier eh schon von allen Seiten angeglotzt, da muss ich mich nicht auch noch unbeliebt machen, was?«
»Sie laufen aber auch rum wie ein Alien«, meinte Lasse belustigt, und Shelly sah verwundert an sich herunter.
»Wieso?«
»Na hör’n Sie mal. Es gibt keine Frau in Fischbach und wahrscheinlich auch nicht in ganz Niedersachsen, die mit solchen Cowboytretern, viel zu langen Jeans, bestickten Westernhemden, Sonnenbrille und Käppi im Supermarkt rumläuft.«
»Stimmt das?«, fragte sie Leif naiv.
»Sie sehen aus wie ein Flamingo in einer Gruppe Graugänse.«
Shelly musste lachen. »Das klingt ganz nach mir. Dünne Beine und ein großer Schnabel.«
»Falls Sie hier inkognito rumlaufen möchten, sollten Sie es etwas dezenter tun. Wenn Sie nur die Stiefel wegließen, würde das schon reichen«, meinte Lasse.
»Die zieh ich nicht aus, niemals.«
»Was geben Sie uns dafür, dass wir jetzt nicht Ihre wahre Identität verraten?«, fragte Lasse plötzlich. So, wie er es sagte, wusste man nicht, ob es als Scherz oder ganz im Ernst gemeint war. »Das gäbe sicher ein ziemliches Aufsehen. Ganz Fischbach wüsste innerhalb von wenigen Minuten, dass Marshall Stone hier ist – und vielleicht auch, wo Marshall Stone wohnt.«
»Du möchtest etwas dafür haben, dass du mich nicht verpfeifst, sagt man das so?«, fragte sie.
»Beides richtig«, sagte Lasse.
»Dann … jetzt fehlt mir das Wort. Wie heißt so was noch bei euch? Warte mal … ähm, Forderung! Nein … ah ja: Erpressung. Das ist es, stimmt’s? Erpressung.« Shelly lächelte Lasse an, als hätte sie gerade ein Rätsel gelöst und würde ein Lob dafür erwarten. »Aber da muss ich noch etwas zu sagen: Wenn ihr jemanden erpressen wollt, solltet ihr genau wissen, wer euer Opfer ist. Ich bin eine Texas-Lady. In Texas ist es legal, eine Waffe zu besitzen, und die meisten Kinder lernen das Schießen, noch bevor sie in die Schule kommen. Ich könnte also eine Waffe besitzen und höchstwahrscheinlich auch sehr gut damit umgehen. Ihr lasst also vielleicht besser die Finger von Leuten, die aus Texas kommen. Wir sind sehr großzügige Menschen, aber ihr kennt ja vielleicht den Spruch: Don’t mess with Texas! «
Leif sah sie ernst an. Lasse blickte lächelnd auf seine Füße. Seine Kiefermuskeln zuckten.
»Sie sind wirklich ein komischer Vogel«, sagte er schließlich.
»Seht mal, das Einzige, was ihr von mir bekommt, ist ein Liter Milch, damit ihr zwei Jungs groß und stark werdet.« Sie stellte den beiden eine Packung Milch in ihren Einkaufswagen und warf einen genaueren Blick auf die Geschenkdose mit der Whiskyflasche darin.
Lasse versuchte, seine amüsierte Fassade aufrechtzuerhalten, aber innerlich kochte er bereits.
»Wow, fünfzehn Jahre alter Whisky. Gibt’s was zu feiern bei euch?«
»Nein. Noch nicht, aber wir haben bald unsere Abschlussprüfung.«
»Da müsst ihr ja sicher ziemlich sein, dass ihr sie besteht.«
»Doch, ja«, antwortete Leif. Lasse war die Plauderlaune vergangen. Shelly bemerkte das.
»Na, ich muss dann mal weiter. Vielleicht brauche ich noch einen zweiten Wagen. Macht’s gut, Jungs.«
Sie schob den Karren wie einen Kleinwagen an ihnen vorbei. Leif sah seinen Freund an.
»Alles okay?«
»Stell die Milch weg«, sagte Lasse mit zusammengebissenen Zähnen.
»Können wir doch gebrauchen.«
»Stell sie weg, verdammt!«
»Ist ja gut.« Leif ließ die Milch zwischen Wodka- und Ouzoflaschen stehen. »Reg dich nicht auf. War ein bisschen unheimlich, was sie da über die Erpressung gesagt hat. Als ob sie wüsste, was wir vorhaben.«
»Das ist ja wohl unmöglich. Die hat natürlich keinen Schimmer. Aber ihre verfluchte Hollywood-Arroganz geht mir mächtig aufn Zeiger.«
Zwei
Shelly hatte sich ein Großraumtaxi gerufen, das sie und ihre Einkäufe nach Hause bringen sollte. Der Fahrer, ein älterer, grummeliger Kerl mit Dreitagebart, hatte den Wagen abgewürgt, als er Shelly vor dem Eingang des Supermarkts stehen sah. Sie lehnte auf dem Handlauf des mittleren von drei gehäuft gefüllten Einkaufswagen, und in ihrem Rücken standen noch ein mannshoher Kühlschrank, der sie um zwanzig Zentimeter überragte, und ein Flachbildfernseher von der Größe eines Kirchenfensters.
»Sie hätten besser eine Spedition anrufen sollen«, brummte der Taxifahrer, bevor er die Sitze in seinem Kleinbus so umbaute, dass alles hineinpasste.
Nachdem Shelly die
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